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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
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Page - 163 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 163 Partnern verheiratete, Teilnehmer des Ersten Weltkrieges) und jede Ausweitung auf Mischlinge ersten und zweiten Grades, wie sie etwa Heydrich vorgeschlagen hatte, abgewiesen  – möglicherweise auch wegen der ausländischen Proteste, vor allem aber wohl deshalb, weil es sich (bei »Viertel-« oder »Halbjuden«) eben teilweise um »deut- sches Blut handelte. Die nationalsozialistische (Blut-)Logik gebot zwingend, die auf reichsdeutschem Boden verbliebenen Juden auszubürgern, und zwar bevor sie in das Vernichtungsprogramm, das nun anstelle der bisherigen Vertreibungs- und Umsied- lungsprogramme getreten war, einbezogen wurden. Bei ihrer Ermordung durften Juden keine Deutschen mehr sein. Im Folgenden soll hier die Chronologie des Herbstes 1941, wie sie durch die Aktenfunde der jüngeren Zeit gesichert erscheint, noch einmal aufgenommen und um einige Daten, die mir bedeutsam erscheinen, ergänzt werden. Am 17. September 1941 hatte Hitler, laut Eintragung in Himmlers Dienstkalender, die Deportation der deutschen, österreichischen und tschechischen Juden nach Osteuropa angeord- net.595 Mitte Oktober setzten die Massendeportation von »Reichsjuden« nach Osten ein. Am 18. Oktober erfolgte das strikte Verbot der Auswanderung, was bedeutete, dass es kein Entkommen mehr gab. Anfang November befand sich das erste Ver- nichtungslager, Bełzec, im Distrikt Lublin, vor der Fertigstellung ; ein Probebetrieb der Gaskammern wurde aufgenommen. Ab Mitte November zeigen die Quellen nun eine Verdichtung von Begegnungen, Besprechungen, Telefonaten : Am 16. No- vember waren Himmler und Rosenberg gemeinsam bei Hitler. Am 17. telefonierte Himmler mit Heydrich wegen »Beseitigung der Juden«.596 Mehrmals in dieser Zeit traf Himmler mit Wilhelm Stuckart, Staatssekretär im Innenministerium, Mit- schöpfer und Kommentator des Reichsbürgergesetzes, zusammen. Stuckart gegen- über reklamierte er seine alleinige Kompetenz in der »Lösung der Judenfrage«.597 Auf einem Besprechungsblatt notierte Himmler : »Judenfragen gehören zu mir«.598 Worüber haben die beiden noch gesprochen ? Nach Christopher Browning bekam Stuckart »bei dieser Gelegenheit wesentlich mehr zu hören als Himmlers Pochen auf Zuständigkeiten«.599 Am Tag nach dem Gespräch Himmlers mit Stuckart, dem 25.  November 1941, wurden erstmals alle Angehörigen der im litauischen Kaunas eintreffenden Transporte  – darunter auch ein Transport aus Wien  – sofort getötet 595 Vgl. Witte, Dienstkalender, S.  213. 596 Vgl, Gerlach, Wannseekonferenz, S.  164. 597 Stuckarts Vorschlag, die Juden für staatenlos zu erklären und sie legistisch als bloße »Schutzange- hörige des Reiches« zu fassen, war der Erkenntnis geschuldet, dass das Innenministerium jede Kontrolle über die deportierten Juden verlieren würde, und ein Versuch, das Ministerium (und sich selbst) jeglicher Verantwortung zu entziehen. Vgl. Roseman, The Lake, S.  94. 598 Vgl. Witte, Dienstkalender, S.  274. 599 Vgl. Browning, Judenmord, S.  74.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Subtitle
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Author
Hannelore Burger
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
292
Keywords
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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