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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
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Page - 168 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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168 Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik eingetreten waren und bereit waren  – unter welchen Umständen immer  – am Auf- bau eines wiedererrichteten demokratischen Österreich mitzuwirken. Nur für diese kleine Gruppe gab es  – wie groß auch immer die Schwierigkeiten ihrer Remigration gewesen sein mögen  – hinsichtlich der Wiedererlangung ihrer Staatsbürgerschaft noch kein Problem. So erhielten etwa der Musikwissenschaftler Kurt Blaukopf und seine Frau Herta612, die Schriftsteller Hermann Hakel und Willi Verkauf-Verlon  – alle aus Palästina kommend  – ihre österreichische Staatsbürgerschaft nach § 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes zurück. Die Staatsbürgerschaft durch Erklärung nach §  2 erwarben 1947 u. a. die aus den USA zurückkommende Schriftstellerin Elisabeth Freundlich und der ebenfalls aus den USA kommende Ökonom Eduard März.613 Doch unter den wenigen Rückkehrern und Rückkehrerinnen scheiterte ein nicht unbeträchtlicher Teil an den in Österreich vorgefundenen Bedingungen und verließ resigniert oder verzweifelt die Heimat ein zweites Mal (was allerdings den endgülti- gen Verlust der Staatsbürgerschaft bewirkte). Ein besonderes Problem  – aus der Sicht der österreichischen Regierung  – waren die sich in den von den Alliierten kontrollierten Lagern aufhaltenden jüdischen Dis- placed Persons.614 Zwar waren die wenigen Überlebenden der Konzentrationslager, die in DP-Lagern untergebracht waren, relativ rasch von den Alliierten repatriiert worden, doch sehr bald füllte ein nicht enden wollender Strom jüdischer (Pogrom-) Flüchtlinge aus Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern aufs Neue die Lager. Bis Frühjahr 1954 dürften etwa 200 000 osteuropäische Juden durch die 47 unter amerikanischem Schutz stehenden in Österreich befindlichen DP-Lager ge- schleust worden sein615, darunter auch der Dichter Paul Celan, der sich 1947 etwa ein Jahr in Wien aufhielt, davon einige Tage in einem DP-Lager.616 Diese erst nach dem Krieg geflüchteten Juden  – viele davon staatenlos  – wurden von der österrei- chischen Regierung nicht mehr als Displaced Persons anerkannt. Rund um die Lager entwickelte sich eine heftige antisemitische Agitation, und im österreichischen Mi- 612 Herta Blaukopf schreibt über diese Gruppe zutreffend : »Diejenigen Emigranten, die sofort zur Rückkehr ins befreite Österreich bereit waren, hatten zumeist diesen Entschluss am Tage ihrer Flucht aus dem nazibeherrschten Österreich gefasst«. Herta Blaukopf : Kurt Blaukopfs (musikali- sches) Österreich-Verständnis, in : Austriaca (2003) 56, S.  131–146, hier : S.  131. 613 Vgl. Burger/Wendelin, Staatsbürgerschaft und Vertreibung, S.  370f. 614 Vgl. Burger/Wendelin, Staatsbürgerschaft und Vertreibung, S.  362f. 615 Thomas Albrich : Zwischenstation des Exodus. Jüdische Displaced Persons und Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg, in : Gernot Heiss/Oliver Rathkolb (Hg.) : Asylland wider Willen. Flücht- linge in Österreich im europäischen Kontext seit 1914 (=  Veröffentlichungen des Ludwig-Boltz- mann-Institutes für Geschichte und Gesellschaft 25) (Wien 1995), S.  122–139. 616 Christine Oertel : Flucht über Österreich. Jüdische Displaced Persons aus Osteuropa 1945–1949, in : Displaced. Paul Celan in Wien 1947/48. Katalog der gleichnamigen Ausstellung im Jüdischen Museum Wien (Frankfurt a. M. 2001), S.  36–45.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Subtitle
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Author
Hannelore Burger
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
292
Keywords
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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