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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
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Page - 182 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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182 Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik hargetn jidischn volk« geschrieben. Im Jänner 1944 war es fertig geworden. Gerettet wurde es von Freunden, die eine Abschrift mit nach Palästina nahmen. »So war der Anfang. Schrecken gabs vom allerersten Tage an. Der nächste brachte neues Leid, danach kam neue Qual. Und jeden Morgen geht es in der Früh wie irr von vorne los. Erst gestern so, heut so. /…/  …der Tod ist hier ein Nimmersatt«644, heißt es in den ersten Versen des »Großen Gesangs vom ausgerotteten jüdischen Volk«. Jizchak Katzenelson und sein Sohn kamen im Mai 1944 in Auschwitz an. Beide fanden den Tod im Gas. Martha und ihre Mutter blieben in Vittel. Von zwei englischen Katholikinnen, die eine Schule für die gefangenen Kinder organisierten, erhielt Martha Unterricht in Englisch und Kalligraphie. Beide Frauen wurden nach der Befreiung Nonnen. Im Juni 1944, knapp nach dem D-Day, erlebten Mutter und Tochter, wie das Lager Vittel für zwei Tage von einer französischen Widerstandsgruppe befreit wurde. Da sie keinerlei Papiere hatte  – die blieben in Bergen Belsen  –, entschied sich Gena Fal- kenflik, im Lager zu bleiben. Tatsächlich kam die SS bereits nach zwei Tagen zurück. Endgültig befreit wurde Vittel am 23. Oktober 1944 von amerikanischen Soldaten. Doch frei waren Gena und Martha Falkenflik noch lange nicht. Weitere lange Jahre in Lagern sollten folgen. Im Centre de réfugiés étrangers in La Bourboule er- hielten sie ihre offizielle Anerkennung als Displaced Persons. Im Spätsommer 1945 wurden sie in ein DP-Lager des Roten Kreuzes nach Lourdes im Departement Hautes Pyrenées überstellt. Hier löste sich die Gruppe der »russischen Juden« all- mählich auf. Doch für Gena Falkenflik und ihre Tochter gab es keine Heimat, in die sie zurückkehren konnten, und kein Land, das bereit gewesen wäre, sie aufzuneh- men. Martha besuchte als einziges jüdisches Kind die Schule der Dominikanerinnen, wo sie Französisch lernte. Sie erinnert sich an die tiefe Bewunderung, die sie emp- fand, als sie die berühmte Grotte der Bernadette besuchte. Ende 1947 entschloss sich Gena Falkenflik, nach Israel zu gehen. Das war allein deshalb möglich, weil ihre nun zwanzigjährige Tochter Cwetka, deren staatsbürgerlicher Status in ihren Papieren als undefined angegeben wurde, inzwischen die palästinensische Mandatsbürgerschaft erworben und zugleich eine Bürgschaft für Mutter und Schwester geleistet hatte. Im Dezember 1947, als das ersehnte Palästina-Zertifikat endlich eingetroffen war, brachte sie ein Schiff von Marseille nach Haifa. In Israel begann für Mutter und Tochter mit dem Teudat Alijah645 ein neues Le- ben. Über das alte schwiegen beide. Beide waren außerstande, über ihre Erlebnisse 644 Jizchak Katzenelson : Dos lied vunem ojsgehargetn jidischn Volk (Großer Gesang vom ausgerot- teten jüdischen Volk), übersetzt, herausgegeben und eingeleitet von Wolf Biermann (Köln 1994), S.  107. 645 Zertifikat über die Migration nach Israel.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Subtitle
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Author
Hannelore Burger
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
292
Keywords
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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