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Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Page - 21 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)

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Forschungsstand 21 Antagonismus von nationalen und internationalen Einflüssen auf die Wissenschafts- entwicklung in jüngster Zeit zunehmend in Frage. Auch der angebliche Gegensatz zwischen der instrumentalisierten nationalen Wissenschaft und der Universalsprache der Naturwissenschaften, die über den Rahmen des Nationalstaates hinaus Brücken der Verständigung baut, stößt auf Kritik. Chris Manias verwies darauf, dass beide Phänomene oft gleichzeitig auftreten und sich gar wechselseitig verstärken. Diese Wechselwirkungen wurden bisher wenig erforscht.48 Dies gilt auch für die Radioaktivitäts- und Kernforschung in Österreich, deren fun- damental internationaler Charakter zwar evident erscheint, in der wissenschaftshisto- rischen Literatur bisher aber kaum genauer untersucht wurde. Maria Rentetzi unter- nahm in ihrer Dissertation den Versuch, die Wiener Radioaktivitäts- und Kernfor- schung vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis 1938 in einen politisch-gesellschaftli- chen Kontext einzubetten.49 Die Autorin entwickelt das Bild einer lokalspezifischen Experimentalkultur, die nicht nur durch den Umgang mit radioaktiven Stoffen selbst, sondern auch durch das architektonische Setting des Mediziner-Viertels im 9. Wiener Gemeindebezirk und die besonderen politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse im Roten Wien der 1920er Jahre entscheidend geprägt wurde.50 Die Wiener Experi- mentalkultur habe, anders als dies beispielsweise im streng hierarchisch strukturierten Cavendish Laboratory Rutherfords der Fall war, relativ geschlechteregalitäre Koopera- tionsbeziehungen hervorgebracht und Frauen berufliche Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet. Sie stützt damit die These, dass das Institut für Radiumforschung in der Zwischenkriegszeit ein Paradies für Radioaktivistinnen gewesen sei  – eine Meistererzäh- lung, die in der deutsch- und englischsprachigen Literatur bis heute kaum modifiziert wurde.51 Ein systematischer, quantifizierender Vergleich der Geschlechterverhältnisse und Arbeitsbedingungen am Wiener Institut mit denen in den wichtigsten europäi- schen Laboratorien der Radioaktivitäts- und Kernforschung steht bis heute aus. Ihrem Forschungsansatz entsprechend, nimmt Rentetzi internationale Vernetzungen haupt- sächlich dann in den Blick, wenn die am Institut für Radiumforschung arbeitenden Frauen über Landesgrenzen hinweg mobil waren. Zentrale Aufgabenbereiche des Ins- tituts, wie die Metrologie, die mit einem starken internationalen Engagement verbun- den war, kommen in ihrem Buch nicht zur Sprache. Die Autorin lässt auch offen, welche Verbindungen das Institut für Radiumforschung zu den andernorts in Öster- reich arbeitenden Radioaktivitäts- und Kernforschungsgruppen hatte. 48 Vgl. Manias 2009, 734 ; Jessen/Vogel 2002. 49 Vgl. Rentetzi 2007. 50 Vgl. Rentetzi 2005 ; Rentetzi 2004a. 51 Vgl. Zelger 2009 ; Ceranski 2006 ; Friesinger 2006 ; Bischof 2004 ; Rentetzi 2004a ; Rentetzi 2004c ; Keint- zel/Korotin 2002 ; Rentetzi 2001 ; Galison 1997a ; Rayner-Canham/Rayner-Canham 1997 ; Binder 1996.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Subtitle
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Author
Silke Fengler
Editor
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
380
Keywords
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Categories
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Table of contents

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
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