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Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationaler Kooperation und
Konkurrenz22
Nicht nur Rentetzi, auch andere Autoren und Autorinnen konzentrieren sich bisher
auf einzelne thematische Aspekte oder ausgesuchte zeitliche Epochen der Radioaktivi-
täts- und Kernforschung in Österreich. Ältere Portraits des Instituts für Radiumfor-
schung, die nicht selten von den Beteiligten selbst verfasst wurden, geben einen breiten
Überblick über seinen Aufbau, das akademische Personal und die wissenschaftlichen
Leistungen. Als Festschriften erheben sie jedoch nicht den Anspruch, eine wissen-
schaftlich geleitete Fragestellung zu verfolgen.52 Ähnlich verhält es sich mit Darstellun-
gen zur Geschichte der Physikalischen und Chemischen Institute der Universitäten
Wien, Graz und Innsbruck. Sie wurden oft in Dissertationen sowie in Festschriften
behandelt, die sich mit strukturellen und personellen Veränderungen der Institute
auseinandersetzen und die dortige Forschungsarbeit skizzieren.53 Auffällig ist die große
Zahl an biographischen Studien zu einzelnen bekannten Forscherpersönlichkeiten, die
in Österreich geboren wurden und aufwuchsen und dort oder im Ausland zur Radio-
aktivität arbeiteten.54 Sie werden von autobiographischen Darstellungen ergänzt.55
Berta Karliks kollektivbiographische Darstellung des Exner-Kreises ist Ausgangspunkt
für die weiterführende Erforschung dieses für die Radioaktivitätsforschung in Öster-
reich entscheidenden Gelehrtenzirkels.56
Auch die materielle Kultur der Radioaktivitäts- und Kernforschung war in der Ver-
gangenheit Gegenstand einer Reihe von Studien. Brigitte Strohmaier und Alfred Cha-
lupka machten jüngst die Gerätesammlung des Instituts für Radiumforschung zum
Thema einer Publikation.57 Stärker war bisher allerdings stets das Interesse am Radium,
das als Forschungsobjekt und Strahlungsquelle im Zentrum eines komplexen Tausch-
handels stand. Josef Braunbeck legte bereits in den 1990er Jahren eine grundlegende
Monographie zur Radiumindustrie und -wirtschaft der Österreichisch-Ungarischen
Monarchie vor, welche die enge Zusammenarbeit zwischen der in Böhmen gelegenen
Industrie und dem Institut für Radiumforschung betont. Beate Ceranski beschrieb
eindrucksvoll die grenzüberschreitende Tauschökonomie der frühen Radioaktivisten-
gemeinschaft im Hinblick auf das Radium, die bald von einem veritablen Radium-
markt abgelöst wurde.58
52 Vgl. Karlik 1965 ; Kühn 1962 ; Przibram 1959 ; Meyer 1950 ; Meyer 1920.
53 Vgl. zu Wien Lintner/Schmid 1965 ; Bittner 1949 ; Golitschek/Elbwart 1915, zu Graz Freisitzer 1985, zu
Innsbruck Huter/Machek/Oberkofler/Steinmaurer 1971.
54 Vgl. Strohmaier 2010 ; Sime 2001 ; Reiter 2001a ; Beneke 1999 ; Bauer 1999 ; Höllbacher 1996 ; Zimmel/
Kerber 1992 ; Kerber 1989 ; Huemer 1985 ; Levi 1985 ; Deacon 1966.
55 Vgl. Schrödinger 2006 ; Keintzel/Korotin 2002 ; Weisskopf 1991 ; Frisch 1981.
56 Vgl. Karlik/Schmid 1982. Siehe weiterführend Fengler 2013 ; Fengler/Sachse 2012 ; Coen 2004.
57 Vgl. Strohmaier/Chalupka 2011.
58 Vgl. Ceranski 2008a ; Braunbeck 1996 ; Reiter 1994.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369