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Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Page - 23 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)

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Forschungsstand 23 Eine Reihe von Aufsätzen und Monographien beschäftigte sich jedoch mit Teilas- pekten der Radioaktivitäts- und Kernforschung in Österreich.59 Als umfassend unter- sucht gilt eine wissenschaftliche Kontroverse um kernphysikalische Messergebnisse zwischen dem Cavendish Laboratory in Cambridge und dem Institut für Radiumfor- schung Mitte der 1920er Jahre. Im Kern drehte sich der Streit nicht so sehr um wis- senschaftliche Ergebnisse, sondern um die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit beider Laboratorien und ihrer unterschiedlichen Arbeitsstile.60 Im Zuge dieser Kontroverse entwickelte Marietta Blau ihre Methode zur Aufzeichnung von Kernspuren auf foto- grafischen Platten. Die Frühgeschichte der fotografischen Methode, die als Nachweis- instrument der kernphysikalischen und Höhenstrahlungsforschung in den 1940er und 1950er Jahren zur Blüte kam und das Schicksal Blaus als einer Wegbereiterin auf die- sem Gebiet fand das Interesse vieler Wissenschaftshistoriker und -historikerinnen.61 Peter Galison zeigte, wie fragil das Experimentalsystem, das sich um Blaus Methode bildete, lange Zeit war und wie prekär die mit ihr aufgezeichneten Ergebnisse waren. Es scheint, als hätten Physiker, die mit Blaus Methode arbeiteten, zu keiner Zeit das Unbehagen an ihr verloren. Marietta Blau ging wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 ins Exil, um antisemitischer Verfol- gung zu entkommen. Das Ausmaß der Vertreibungen an den drei Universitäten Öster- reichs und den Instituten der Akademie der Wissenschaften in Wien wurde sowohl quantitativ als auch qualitativ gut dokumentiert.62 Dies gilt insbesondere auch für die Naturwissenschaften.63 So sank beispielsweise die Zahl der Frauen, die am Institut für Radiumforschung arbeiteten, bis Jahresende 1938 um die Hälfte.64 Zudem liegen Stu- dien vor, die untersuchen, wie sich die beruflichen Karrieren der aus Österreich Ver- triebenen an den jeweiligen Orten ihres Exils entwickelten.65 Die Folgen ihrer Vertrei- bung für die Radioaktivitäts- und Kernforschung in Österreich blieben dagegen bisher im Dunkeln. Ob sich das Forschungsfeld dort unter dem Eindruck des Exodus jüdi- scher Kernforscherinnen und Kernforscher nach 1938 nachhaltig veränderte und letztlich geschwächt wurde, ist allerdings zu bezweifeln.66 Die Faktoren, die das Feld 59 Vgl. Coen 2002 ; Kästner 2001 ; Hittmair/Stadler 1993. 60 Vgl. Rentetzi 2004c ; Rehn 2001 ; Stuewer 1985. Die Kontroverse blieb auch in Cambridge nicht ohne Wirkung. Vgl. Hughes 1998a. 61 Vgl. Sime 2013 ; Soukup 2004 ; Rosner/Strohmaier 2003 ; Bischof 2001 ; Galison 1997b ; Halpern 1993. 62 Vgl. Feichtinger/Matis/Sienell/Uhl 2013 ; Stadler 2004 ; Stadler 1988. 63 Vgl. Reiter 2001b ; Reiter 1999. 64 Vgl. Bischof 2006. 65 Vgl. Sigurdsson 2003 ; Howes/Herzenberg 1999 ; Eppel 1995 ; Fischer 1993 ; Stuewer 1984. 66 Vgl. dagegen Haag 1995, 161.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Subtitle
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Author
Silke Fengler
Editor
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
380
Keywords
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Categories
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Table of contents

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
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