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Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Page - 35 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)

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Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 35 Der Einfluss der Curies im deutschsprachigen Raum war groß. Angeregt durch ihre Publikationen begann der deutsche Industriechemiker Friedrich Giesel im Sommer 1898 mit der Verarbeitung einer größeren Menge Pechblenderückstände, die er von der Chemiefirma De Haën bei Hannover bezogen hatte.26 Giesel stellte in seiner Freizeit in den Räumen seines Arbeitgebers, der Chininfabrik Buchler & Co. in Braunschweig, kleinere Radiumpräparate her. Er nutzte die Präparate für öffentliche Demonstratio- nen, mit denen er eine Reihe von Physikern und Chemikern dazu anregte, die Radio- aktivität nun ebenfalls zu erforschen. Außerdem bot Giesel seine Präparate im In- und Ausland bereitwillig zum kostenlosen Verleih an, wohl in der Hoffnung, darüber seine wissenschaftlichen Kontakte zu pflegen und Anerkennung für seine Arbeit zu finden.27 Giesel wuchs die eigenhändige Verarbeitung der Pechblenderückstände bald über den Kopf. Er beauftragte 1899 daher De Haën, eine Tonne Rückstände für ihn roh aufzu- bereiten.28 Das Unternehmen, das zu jener Zeit gerade erst in die Radiumproduktion einstieg, bezog seine Uranerze, ebenso wie das Ehepaar Curie und ihr industrieller Kooperationspartner, die SCPC, aus Österreich-Ungarn. Es dauerte nicht lange bis De Haën mit dem Ehepaar Curie in Streit um den Bezug des begehrten Rohstoffs geriet. Insgesamt betrachtet war in den St. Joachimsthaler Minen und auch außerhalb Böh- mens allerdings noch genug Pechblende vorhanden, um neuen Radiumproduzenten den Eintritt in einen sich dynamisch entwickelnden Markt zu erlauben. So begann 1902 zum Beispiel auch Giesels Arbeitgeber Buchler & Co. Radium zu produzieren und zu vertreiben. Das Braunschweiger Unternehmen stieg bald zu einem der wich- tigsten Lieferanten deutscher und britischer Radioaktivisten und Radioaktivistinnen auf.29 Allerdings erreichten die im Deutschen Reich hergestellten Präparate bei wei- tem nicht die Stärke der in Frankreich hergestellten Proben.30 Die Radioaktivistengemeinschaft war bei ihren Experimenten auf möglichst starke, zugleich aber auch erschwingliche Präparate angewiesen. Ernest Rutherford und William Ramsay beschafften sich 1903 Giesel’sche Radiumbromidpräparate zum Preis von einem Pfund Sterling pro Milligramm. Angesichts des knappen Rohstoffs Pechblende und der wachsenden Nachfrage nach dem Endprodukt stiegen die Preise des wertvollen Gutes Radium binnen weniger Jahre merklich. Im Deutschen Reich beispielsweise kostete ein Milligramm Radiumsalz um die Jahrhundertwende zehn, und bald darauf schon 20 Mark. 1906 war der Preis auf 50 Mark für ein Milligramm Radiumsalz gestiegen.31 Um 26 Siehe zu Giesels Aktivitäten Ceranski 2005b, 104–105. 27 Eines der Giesel’schen Präparate fand 1899 den Weg nach Wien. 28 Vgl. Ceranski 2008a, 418. 29 Vgl. Ceranski 2008a, 420–422. 30 Vgl. Boudia 2001, 77. 31 Vgl. Hahn 1962, 29–30.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Subtitle
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Author
Silke Fengler
Editor
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
380
Keywords
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Categories
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Table of contents

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
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