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Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Page - 72 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)

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Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–191872 ford, der unbestrittene wissenschaftliche Anführer des Trios, übernahm das Amt des Kommissionspräsidenten. Marie Curie, frisch gekürte Trägerin des Nobelpreises für Physik, wurde beauftragt ein Urnormal zu erstellen, das rund 20 Milligramm höchst- reinen Radiums in einem verschweißten Röhrchen enthalten sollte. Es war kein Zufall, dass Meyer zum Sekretär der Internationalen Radiumstandard-Kommission ernannt wurde.202 Er sollte mit der k. k. Regierung über die Bereitstellung hochreinen Radiums verhandeln, aus dem das Urnormal produziert werden konnte. Das in St. Joachimsthal hergestellte Radium eignete sich in besonderem Maße dafür, weil es kaum Mesothor enthielt, das ebenso wie Barium das Messergebnis verfälschen konnte.203 Meyer hatte mit seinem Anliegen beim k. k. Montan-Verkaufsamt keine guten Kar- ten. Denn die Radiumstandard-Kommission war nur eine von vielen Interessenten, die qualitativ hochwertiges Radium in Wien zu beziehen hofften. Im Herbst 1910, als Marie Curie eigentlich schon mit der Herstellung des Urnormals beginnen wollte, verhandelte das Amt beispielsweise mit einer nicht näher bezeichneten Radium-Ak- tien-Gesellschaft, die die gesamte St. Joachimsthaler Produktion aufzukaufen gedach- te.204 Meyers Verhandlungsposition verschlechterte sich weiter, als die Ministerialbe- amten erfuhren, dass Curie das Radium in Paris verarbeiten würde. Die anfängliche Bereitschaft des k. k. Ministeriums für öffentliche Arbeiten wie auch des k. k. Montan- Verkaufsamtes, Curie zu beliefern, war mit den Jahren einem wachsenden Misstrauen gewichen. Hinter vorgehaltener Hand warf man ihr vor, auf der Grundlage billiger Pechblendelieferungen aus St. Joachimsthal Arbitrage-Geschäfte mit Radium zu betrei- ben. Auch wenn ein schlüssiger Beweis fehlte, so berichtete Meyer an Rutherford in Manchester, »erhält sich […] die Meinung speciell auch bei unserer Regierung, dass ein Teil des in Frank- reich verkauften Radiums indirect österreichischer Provenienz ist. Die Regierung wehrt sich nun […] dagegen, dass die französische Regierung nichts in der Angelegenheit [handschrift- lich : für die Beschaffung von Material für Frau Curie, S.  F.] tue, trotzdem Frankreich ein notorisch reicheres Land ist als Österreich, und Opfer und Entgegenkommen nur von ihm verlangt werden.«205 Sehr zum Verdruss Rutherfords, der die Standardisierungsfrage unbedingt klären wollte, drohte sich die Herstellung des Urnormals dadurch massiv zu verzögern. Nach 202 Meyers Ernennung wird mitunter seinen wissenschaftlichen Erfolgen auf dem Feld der Radioaktivitäts- forschung zugeschrieben. Vgl. Rentetzi 2005, 283. 203 Vgl. AR-AGR, UM, 259/1075 : Karl Przibram, Sur les étalons de radium, undatiert. 204 CUL, RC, Add 7653, M 105 : Meyer an Rutherford vom 29.9.1910. 205 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 18, Fiche 293 : Meyer an Rutherford vom 13.11.1911.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Subtitle
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Author
Silke Fengler
Editor
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
380
Keywords
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Categories
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Table of contents

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
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