Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Naturwissenschaften
Chemie
Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Page - 85 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 85 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)

Image of the Page - 85 -

Image of the Page - 85 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)

Text of the Page - 85 -

Die Gefährdung des Zentrums 85 »Nachdem ich kürzlich über Herrn Ramsay berichtet habe und […] noch bemerke, dass ich für Ramsays (wird hier synonym mit Lump oder Schweinehund gebraucht) weder in Süd noch Nord noch West noch Ost das geringste übrig habe, möchte ich anderseits zu meiner Freude feststellen, dass ich mit meiner Annahme, Rutherford und seinesgleichen würden als erste wieder Fühlung mit uns suchen, Recht behalten habe. Ich lege Dir zwei Briefe in Copie bei, die ich bitte, wenn es Deinen Prinzipien des Hasses nicht widerspricht, auch [Friedrich von] Lerch oder anderen Interessenten zu zeigen […]. Ich […] hoffe Dein Grimm geht nicht so weit, dass Du mir fluchst, weil ich beiden freundlich geantwortet habe.«264 Meyer suchte vor allem den Kontakt zu Rutherford aufrecht zu erhalten, dem er weiter Sonderdrucke sandte. Sie erreichten den Adressaten wegen der Kriegsumstände aller- dings oft mit monatelanger Verspätung.265 Die Wiener Gastforscher sorgten ebenfalls dafür, dass der Kontakt ins feindliche Ausland nicht abriss. Dem britischen Physiker Robert Lawson, der von 1913 bis 1919 in Wien tätig war, war es ähnlich wie seinem Kollegen James Chadwick in Berlin nicht mehr gelungen, die Stadt nach Kriegsbeginn zu verlassen.266 Er wurde als feindlicher Ausländer interniert, konnte seine Forschungsarbeit am Institut für Radiumforschung aber unbehelligt fortsetzen.267 Gemeinsam mit dem Institutsassistenten Victor Hess modifizierte er den Geiger-Rutherford’schen Kugelzähler so weit, dass er für β- und γ-Strahlen verwendet werden konnte.268 Lawson nutzte das internationale Netzwerk, welches die Radioaktivistengemeinschaft vor dem Krieg geknüpft hatte, um die Ver- bindung in die alte Heimat zu wahren. Briefe an seine Familie wurden auf Vermittlung 264 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 19, Fiche 304 : Meyer an Schweidler vom 19.3.1915. Der briti- sche Physiker und Chemiker William Ramsay hatte sich bald nach Kriegsbeginn hervorgetan, indem er öffentlich die Indienststellung von Wissenschaftlern für die deutsche Kriegsmaschinerie anprangerte, zugleich aber forderte, ebensolche Institutionen wissenschaftlich-militärischer Zusammenarbeit in Großbritannien nach deutschem Vorbild zu schaffen. Die öffentlichen Verlautbarungen Ramsays und seine antideutsche Haltung sorgten in der deutschsprachigen Wissenschaftsgemeinschaft für erhebliche Aufregung. Die DCG erwog, ihr Ehrenmitglied Ramsay auszuschließen, vertagte die Entscheidung dar- über aber bis nach Kriegsende. Vgl. Stoltzenberg 2006, 207–210; Kauffmann/Priebe 1990, 96–98. 265 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 11, Fiche 176 : Meyer an Harald Bohr [für Rutherford] vom 12.3.1915, ebd., K 18, Fiche 293 : Meyer an Rutherford vom 9.3.1915 ; ebd., K 18, Fiche 293/294 : Rutherford an Meyer vom 13.1.1920. 266 Vgl. CAC, MTNR 5/12/3, Bl. 7–8 : Meyer an Meitner vom 16.10.1914. 267 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 14, Fiche 219 : Hönigschmid an Meyer vom 5.8.1914. Law- son führte gemeinsam mit Hess eine Präzisionsbestimmung der Zahl an α-Teilchen durch, die von ei- nem Gramm Radium pro Sekunde ausgesandt werden. 268 Vgl. Hess/Lawson 1916. Meitner wurde durch die Versuche von Hess und Lawson, die sie bei ihrem Aufenthalt am Institut für Radiumforschung kennengelernt hatte, zu weiteren Arbeiten in diesem Be- reich angeregt. Vgl. Meitner an Hahn vom 25.10.1916, zitiert bei Ernst 1992, 60.
back to the  book Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)"
Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Subtitle
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Author
Silke Fengler
Editor
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
380
Keywords
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Categories
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Table of contents

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kerne, Kooperation und Konkurrenz