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Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung,
1919–193296
sich auf rund 200 US-Dollar pro Jahr summierten.10 Vor dem Krieg hatte die Wiener
Akademie naturwissenschaftliche Forschungsarbeiten mit Subventionen gefördert, die
aus Stiftungen, Widmungen und Legaten von vermögenden Privatpersonen finanziert
wurden. Von diesen Subventionen profitierten vornehmlich Physiker und Chemiker
aus Wien, es gab allerdings auch erfolgreiche Antragsteller aus peripheren Universitä-
ten wie Graz, Innsbruck oder Lemberg. Zu den bedeutendsten Stiftungen der Vor-
kriegszeit zählten die Treitl-Stiftung, die Ami-Boué-Stiftung und das Legat Wedl.11
Doch das Vermögen dieser Stiftungen schmolz angesichts der Inflation ebenso dahin
wie der Wert von Spenden aus der heimischen Industrie.12 Im Februar 1921 berichtete
Meyer seinem Kollegen Ernest Rutherford nach Cambridge : »We can’t look forward
with much hope. […] It is quite impossible to go on in this way.«13
In Anbetracht der verzweifelten Situation gründeten sich private Spendenvereine
mit dem Ziel, die Budgets der Universitätsinstitute und außeruniversitären Forschungs-
einrichtungen aufzustocken. Der Verein der Freunde der Universität Wien warb bei-
spielsweise 1921 eine Million Kronen bei britischen Privatleuten ein.14 Das I., II. und
III. Physikalische Institut der Universität erhielten davon jeweils 50.000 beziehungs-
weise 40.000 Kronen, und das Institut für Radiumforschung immerhin 30.000 Kro-
nen. Verglichen mit anderen Instituten der Universität Wien, lagen die Physikalischen
Institute mit der Spendenhöhe im oberen Mittelfeld. Lediglich die Chemischen Insti-
tute und der Botanische Garten der Universität Wien erhielten höhere Spenden. Auch
10 Siehe zu den Einnahmen des Instituts für Radiumforschung seit Kriegsende The Rockefeller Archive
Center Sleepy Hollow, N.Y., International Education Board, ab sofort : RAC, IEB, Series 1.2, Box 25,
Folder 360 : Augustus Trowbridge, Memorandum of conversation with Professor Meyer and Karl Przi-
bram vom 26.3.1925. Zum Stiftungswesen in Österreich Soukup 2004, 20.
11 Vgl. Sienell 2005, 2, 6–7. Josef Treitl hatte die Akademie 1880 testamentarisch zur Universalerbin seines
Vermögens bestimmt ; die Ami-Boué-Stiftung, die ebenfalls auf einer testamentarischen Verfügung be-
ruhte, stammte aus dem Jahr 1881. Das Legat Wedl (1891/92) zählte zu den finanzstärksten Stiftungen
der Akademie. Siehe zum Stiftungswesen in der Habsburgermonarchie und in Österreich Höflechner
1990, 214–218.
12 Die Ignaz L. Lieben-Stiftung bestand als einzige der großen Vorkriegs-Stiftungen in der Zwischenkriegs-
zeit fort. Vgl. Soukup 2004, 21. Vgl. zu den Industriespenden KVA, ASA, Serie E1, Bl. 6 : Ehrenhaft an
Arrhenius vom 9.11.1921.
13 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 18, Fiche 294 : Meyer an Rutherford vom 8.2.1921.
14 Der Verein der Freunde der Universität Wien wurde zu Beginn der 1920er Jahre gegründet. Er unter-
stützte die Universität Wien finanziell, die über kein eigenes Vermögen oder private Stiftungsgelder ver-
fügte. Durch Spenden, die von der österreichischen Bevölkerung und Privatpersonen aus dem Ausland
stammten, sollten Lücken in den Beständen der Institutsbibliotheken, Seminare und Laboratorien gefüllt
werden, die aufgrund der Dotationskürzungen des Unterrichtsministeriums entstanden waren. Daneben
dienten die Spenden dazu, die für den Lehrbetrieb notwendigen Aufwendungen zu decken. Vgl. Archiv
der Universität Wien, ab sofort : UAW, Akademischer Senat, Senats-Sonderreihe, Senat S 3 Ausländische
Hilfe (1920–1922) : [Verein der Freunde der Universität Wien], Memorandum, undatiert [1921].
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369