Page - 138 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung,
1919–1932138
Physics, Chemistry, and Technology«, deren redaktionelle Durchführung sie dem US-
amerikanischen National Research Council übertrug. Meyer wurde von der Redaktion
um seine Mithilfe gebeten, hatte aber Bedenken, wie er seinem US-amerikanischen
Kollegen Lind schrieb :
»Nun habe ich vor wenigen Tagen auf dem Weg über Prof. Washburn und Prof. Wegscheider
die Aufforderung bekommen für die ›International Critical Tables‹ in dem von Ihnen redi-
gierten Kapitel über radioaktive Daten den Absatz […] ›Energy changes accociated with
radioactive Processes‹ zu übernehmen und ich habe gerne zugesagt. […] Ich müsste wohl
dazu die Angaben über die Reichweiten, die Geschwindigkeiten etc. bringen […]. Eine ge-
wisse Schwierigkeit sehe ich darin, dass es keine internationale Atomgewichtskommission
mehr gibt, sondern bloss eine, die sich so nennt, aber die deutschen und österreichischen
Mitglieder ausgeschlossen hat und infolge davon eine eigene deutsche, die mit deutscher
Gründlichkeit arbeitet. Ich besitze den ›Premier rapport de la Commission internationale des
Elements chimiques‹ – ›Tables internationales des Isotopes et des Elements Radioactifs‹, das
Wort ›international‹ kommt auf dem Titelblatt sogar viermal vor, aber die Tabellen sind es
nicht, das heisst die deutsche Literatur ist nur sehr mangelhaft benützt und wie ich mir er-
laubte in den ›Radioaktiven Konstanten nach dem Stand von 1923‹ […] kurz anzudeuten,
sind wir weder imstande die Zahlenwerte noch allgemein die Nomenklatur obiger
fr[anzösischer] ›Tables‹ anzunehmen. […] Ich möchte Sie also zusammenfassend bitten, […]
genauer zu umschreiben, welche Daten ich bearbeiten soll«.217
In der Tat stellten die zwischen 1926 und 1930 in sieben Bänden erschienenen »Criti-
cal Tables« lediglich eine Auswahl der als sicher angenommenen Messdaten dar bezie-
hungsweise enthielten Mittelwerte.218
Erst als Ende der 1920er Jahre die Deutschen in die internationale Wissenschaftsge-
meinschaft zurückkehrten, eröffnete sich die Möglichkeit, Daten radioaktiver Zerfalls-
konstanten wieder systematisch auf internationaler Ebene zu sammeln, zu prüfen und
gemeinsam zu publizieren.219 Um die zwischenzeitlich erhobenen Messdaten verschie-
dener Laboratorien in einer konzertierten Aktion abzugleichen, wurden drei neue
Kommissionen gegründet. Dies geschah, nachdem die französisch dominierten Gre-
mien der UIC umstrukturiert worden waren. An die Stelle des Komitees für Chemi-
sche Elemente der UIC traten drei neue Kommissionen : 1. Die Internationale Atom-
217 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 16, Fiche 254 : Meyer an Lind vom 16.12.1923.
218 Vgl. Koppel 1931, 362. Siehe auch Fuchs 2002b, 284.
219 Vgl. Haber 1929, und AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 12, Fiche 197 : Hahn an Meyer vom
20.2.1930. Siehe auch MC, ALC, Fiche 3961 : Biilmann an Curie vom 16.10.1930.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369