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Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung,
1919–1932148
Dauer die Ausstattung, die er für seine Forschungsarbeit benötigte.266 1921 bat er
Stefan Meyer um einen Arbeitsplatz am Institut für Radiumforschung. Zunächst ging
es ihm darum, die Radioaktivität von Tiefseeschlamm zu messen.267 Anfang 1922 be-
gann er neben seinen hydrologischen Arbeiten mit der Zertrümmerung leichter Atome
mittels radioaktiver Strahlungsquellen. Pettersson griff damit ein Thema auf, das Ruth-
erford seit 1919 relativ ungestört von in- und ausländischen Konkurrenten am Caven-
dish Laboratory in Cambridge bearbeitete.268 Pettersson war durch seinen Doktorvater
William Ramsay, ein erbitterter Konkurrent Rutherfords in der Radioaktivitätsfor-
schung, bereits vor dem Krieg auf das Potenzial der Atomphysik aufmerksam gemacht
worden. Ramsay riet ihm auch, in Rutherfords Labor atomphysikalisch zu arbeiten.
Wie Pettersson im Rückblick an Lise Meitner schrieb, war seine »Arbeit in Wien, zu
der ich erst 10 Jahr später kam (während welcher Zeit sich viel geändert hatte !) […]
eigentlich die späte Verfolgung eines Wunschtraumes aus dem Jahre 1912«.269
In Wien waren Rutherfords neue Untersuchungen dank der guten Verbindungen
Meyers nach Großbritannien schon bald nach dem Krieg bekannt geworden. Meyer
wurde im Frühjahr 1919 erstmals von Robert Lawson über Rutherfords neues Arbeits-
feld informiert, wobei Lawson den Ertrag der Arbeiten Rutherfords eher gering ein-
schätzte.270 Auch in Briefen anderer Kollegen sickerte die Nachricht nach Wien durch.271
Im Januar 1920 erwähnte Rutherford selbst gegenüber Meyer sein neues Forschungsge-
biet.272 Ob Meyer sein Institutspersonal über Rutherfords Arbeiten frühzeitig infor-
mierte und es für das Thema zu interessieren suchte, geht aus den Quellen nicht hervor.
Der österreichische Physiker Gerhard Kirsch, der seit 1921 als Assistent am II. Physika-
lischen Institut tätig war, begann sich jedenfalls für die neue Forschungsrichtung zu in-
teressieren und avancierte bald zu einem der Pioniere der Wiener Atomzertrümmerungs-
forschung. Vieles spricht dafür, dass Kirsch in Schweden die ersten Anstöße für sein
künftiges Arbeitsfeld erhielt. Im Sommer 1920 arbeitete er im Labor des schwedischen
theoretischen Physikers Carl Wilhelm Oséen in Uppsala, der nach dem Krieg aktiv den
Kontakt zu ausländischen Zentren der Physik suchte, mit dem Ziel, die Atom- und
266 Vgl. RAC, IEB, Series 1.3, Box 56, Folder 923 : Hans Pettersson, Report vom April 1928.
267 Vgl. Przibram 1950. Pettersson, der von 1914 bis 1930 als Dozent für Ozeanografie an der Göteborgs
Högskola tätig war, suchte im Frühjahr 1914 erstmals um einen Forschungsplatz am Institut für Radi-
umforschung an, doch verhinderte der Beginn des Krieges die Realisierung seiner Pläne. Vgl. AÖAW,
FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 278/279 : Pettersson an Meyer vom 24.5.1914.
268 Vgl. Hughes 1993, Chapter 1.
269 CAC, MTNR 5/13/3, Part I : Pettersson an Meitner vom 28.1.1942.
270 Vgl. CAC, MTNR 5/12/3, Bl. 56–57 : Meyer an Meitner vom 21.7.1919.
271 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 19, Fiche 306 : Schweidler an Meyer vom 6.12.1919 ; ebd., K
19, Fiche 348 : Boltwood an Meyer vom 3.7.1920.
272 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 18, Fiche 293/294 : Rutherford an Meyer vom 13.1.1920.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369