Page - 155 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 155
auf die naturwissenschaftliche Forschung zur Peripherie zählte. Die Exzellenz Öster-
reichs bewertete Trowbridge durchaus ambivalent :
»If one draws a line […] from the Baltic to the Adriatic, one finds all of the scientifically
advanced countries […], except Spain and Portugal. The countries to the East of this line are
most of them distinctly backward in the pure sciences, […]. The line would cut through
Austria, but I am placing Austria for convenience with the Western countries.«306
In New York begann man 1927, Listen aller vielversprechenden Laboratorien in Eu-
ropa und den USA aufzustellen, in denen die künftige naturwissenschaftliche Elite
mittels Stipendien des IEB ausgebildet werden sollte. Auf der Europa-Karte, in der die
Zentren der Spitzenforschung als farbige Kreise markiert wurden, blieb Österreich ein
weißer Fleck. Wien fiel, ähnlich wie Zürich, Utrecht und Kopenhagen, unter die Zen-
tren von geringerer Bedeutung.307 Die Institute in Graz und Innsbruck fanden gar
keine Erwähnung. Ein ähnliches Bild zeigte sich dort, wo nach berühmten Einzelper-
sonen gefragt wurde. Unter den Physikern, die die Berater des IEB als herausragend
ansahen, fand sich kaum ein österreichischer Name. Von den Exner-Schülern wurde
lediglich Przibram erwähnt, auf den die Stiftung durch seine Arbeiten zur Lumines-
zenz aufmerksam geworden war.308 Auch im Bereich der physikalischen Chemie und
der Chemie standen die Wiener Fachvertreter in zweiter Reihe hinter ihren Kollegen
und Kolleginnen aus Cambridge, Berlin oder Paris.309
Dessenungeachtet, dachte man weder in New York noch in Paris ernsthaft daran,
die Förderung Wiens aufzugeben. Im Gegenteil : Wien sollte als Gegenpol zu Ruther-
fords Gruppe gestärkt werden. Denn, so berichtete Trowbridge nach einem Besuch in
Cambridge an seinen New Yorker Vorgesetzten Rose :
»In Physics [in Cambridge, S. F.] there seems to be a slightly unhealthy feeling of superiority,
which is due, of course, to the fact that for the past twenty-five years the English have cer-
tainly led in that field. They are perhaps a trifle too ›smug‹ and they are certainly a bit too
306 RAC, IEB, Series 1.1, Box 24, Folder 345 : Trowbridge an Rose vom 8.6.1926.
307 Vgl. RAC, IEB, Series 1, Subseries 1, Folder 146 : Dora E. Chernstrom, Liste der wichtigen Zentren
mathematischer und experimenteller Physik in Europa vom 20.9.1927.
308 Vgl. RAC, IEB, Series 1, Subseries 1, Folder 146 : List of outstanding European and American workers
in the field of physics and list of science centers in Europe vom 3.5.1927 ; RAC, IEB, Series 1, Subseries
1, Folder 146 : Dora E. Chernstrom, Liste herausragender Physiker und Aufschlüsselung der Themenfel-
der in der Physik vom 8.7.1927.
309 Vgl. RAC, IEB, Series 1, Subseries 1, Folder 146 : List of the most eminent men engaged in research in
Physical chemistry and Chemistry in Europe/US vom 14.1.1927.
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book Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)"
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369