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Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 157
aus, vergleicht man sie mit der Gesamtförderung der Naturwissenschaften durch das IEB
in der Amtszeit Trowbridges von 1925 bis 1928/29. Zur allgemeinen Förderung in Höhe
von etwa 12,5 Millionen US-Dollar kamen internationale Stipendien für die Naturwis-
senschaften in Höhe von einer Million US-Dollar. Mit 40.000 US-Dollar förderte das
IEB den internationalen Professorenaustausch.315 Gemessen am relativ geringen finanzi-
ellen Aufwand, kamen die Unterhändler der Stiftung 1928 zu einer positiven Einschät-
zung ihres Wiener Engagements. So spreche der Fall des Instituts für Radiumforschung
dafür, weiterhin auch solche Zentren finanziell zu unterstützen, die zwar in ihrer Gesamt-
heit nicht von herausragendem Interesse seien, aber vereinzelte gute Aspekte aufwiesen.316
Seinen Statuten gemäß stellte das IEB 1928 allerdings die Bedingung, dass sich das
Institut für Radiumforschung, mittels in Europa geworbener Gelder, langfristig selbst
erhalten müsse. In der Tat gelang es den Wiener Atomzertrümmerern, die Notgemein-
schaft für ihre Arbeit zu interessieren. Die Notgemeinschaft war von ihrer anfänglichen
Richtlinie, die Wissenschaften im Nachbarland finanziell nicht zu unterstützen, schon
in den frühen 1920er Jahren schrittweise abgekommen. Im Zuge ihrer Strategie, eine
»großdeutsche Kultureinheit« zu fördern, begann sie seit 1929 im Rahmen ihrer eigens
gegründeten Unterorganisation Österreichisch-Deutsche Wissenschaftshilfe (ÖDW)
verstärkt Forschung im Nachbarland zu unterstützen, »wo sie in nähere Beziehung zu
Deutschland tritt«.317 Dies galt nach Ansicht der Notgemeinschaft gerade auch für das
Gebiet der Atomforschung, für das sich, angestachelt durch die schwelende Kontro-
verse zwischen Wien und Cambridge, eine wachsende Zahl von reichsdeutschen Phy-
sikern interessierte.318 1928 sagte die Notgemeinschaft Meyer eine Förderung in Höhe
von 12.000 Reichsmark zu, die in drei Tranchen zwischen 1930 und 1933 zur Auszah-
lung kam. Das Geld diente der Anschaffung von Geräten und Material, die neben der
Atomzertrümmerungsforschung auch anderen Forschungsgebieten am Institut für
Radiumforschung zugute kamen.319 Das Engagement der Notgemeinschaft erleich-
mark = 4.000 US-Dollar, 1928). Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 29, Fiche 395 : Meyer an
Bundesministerium für Unterricht vom 18.10.1927.
315 Vgl. Compton 1937, 236.
316 Vgl. RAC, IEB, Series 1.2, Box 25, Folder 360 : Trowbridge an Rose vom 18.5.1928.
317 Zitat bei Fengler/Luxbacher 2011, 307.
318 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 11, Fiche 170 : Notgemeinschaft an Meyer vom 23.4.1928
und vom 24.1.1930.
319 Darunter befanden sich Fotozellen, ein Lutz-Edelmann-Elektrometer, Zeituhren für die Zählung von
α-Strahlen, Röntgenmilliampèremeter zur Röntgenlinien-Strukturmessung, eine Diffusionsluftpumpe
für die Lumineszenzforschung, ein Gaede-Vakuummeter zur Strukturmessung von Röntgenlinien, ein
konstanter Hochohmwiderstand für Lumineszenzforschung und Radium-Dosismessung, Linhoff-Ka-
meras zur Aufzeichnung von Nebelbahnen. Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 11, Fiche 171 :
Leihgaben von der Notgemeinschaft vom 29.1.1930.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369