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Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Page - 171 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)

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Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 171 Trotz der in Wien vorhandenen großen Vorräte an Radiumblei entschloss man sich daher, Polonium für die am Institut laufenden Forschungsarbeiten in Paris zu bezie- hen.391 Marie Curie, die im Gegenzug das schon erwähnte Wiener Ionium-Thorium- Präparat als Leihgabe erhielt, erklärte sich bereit, den Wienern ein Präparat zur Verfü- gung zu stellen, das ihre Tochter Irène hergestellt hatte. Irène Joliot-Curie war durch ihre langjährige Beschäftigung mit Polonium eine der wenigen Expertinnen auf dem Gebiet der Herstellung und des Einsatzes hochreiner Poloniumpräparate.392 Sie lud die am Institut für Radiumforschung tätige Radiochemikerin Elisabeth Rona nach Paris ein, um sie mit der dort verwendeten Technik der Poloniumherstellung vertraut zu machen.393 Rona, die 1925 zur Forschungsgruppe um Pettersson gestoßen war, zog 1926 für mehrere Monate nach Paris und erlernte die von Joliot-Curie entwickelte, rationellere Methode zur Herstellung starker Poloniumpräparate.394 Ausgehend von dem Pariser Präparat kamen ab 1925 immer öfter Poloniumpräparate als kurze α-Strahlungsquellen bei der Atomzertrümmerung in Wien zum Einsatz.395 Im Laboratoire Curie waren geringe Mengen Polonium in den fast zwei Gramm Radium enthalten, die Marie Curie bis Ende der 1920er Jahre akkumuliert hatte.396 Anders als die Wiener gewannen die Curies ihr Polonium aber nicht aus dem vorhandenen Radium, sondern »fast ausschließlich aus Em[anations]-Kapillaren, deren sie eine unglaubliche Menge haben, da sie sie aus allen Krankenhäusern Amerika’s und Paris bekommen, nach- dem die Emanation abgestorben ist«.397 Daneben setzten sie ihre schon vor dem Krieg begonnene Akkumulationsstrategie fort, die sich neben Radium jetzt auch auf andere Ausgangsstoffe für die Gewinnung von Polonium bezog. Ein Anlaufpunkt war die tsche- choslowakische Regierung, von der Irène Joliot-Curie an größere Mengen Blei aus Jáchy- mov zu gelangen hoffte. Die Strategie erwies sich allerdings als wenig erfolgreich. Gegen- über dem einstigen tschechischen Stipendiaten ihrer Mutter, dem 1922 nach Prag zu- rückgekehrten František Běhounek, klagte Irène, dass das zuständige tschechoslowaki- sche Ministerium für öffentliche Arbeiten sich kaum davon überzeugen ließ, ihre wissen- schaftlichen den eigenen kommerziellen Interessen voranzustellen.398 391 Vgl. zum langjährigen Engagement der Curies bei der Isolierung und Konzentration von Polonium Boudia 2001, 127. 392 Vgl. Hughes 1997, 328. 393 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 22, Fiche 350 : Meyer an Curie vom 23.12.1925 und Curie an Meyer vom 26.5.1926. 394 Vgl. Rosner/Strohmaier 2003, 30. 395 Vgl. CAC, MTNR 5/16B/1 : Stetter an Meitner vom 29.9.1926. 396 Vgl. Weart 1979a, 40. 397 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 18, Fiche 291 : Rona an Meyer vom 3.1.1926 und vom 17.1.1926. 398 Vgl. MC, ALC, Fiche 2608 : Joliot-Curie an Běhounek vom 2.3.1927 und ebd., Fiche 1301 : Běhounek an Joliot-Curie vom 15.6.1927.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Subtitle
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Author
Silke Fengler
Editor
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
380
Keywords
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Categories
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Table of contents

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
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