Page - 217 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Das Zentrum verliert den Anschluss 217
schung, weiter zu fördern.171 Die DFG beließ mehrere hochwertige, in der Kernfor-
schung zum Einsatz kommende Geräte in Wien.172
Der finanzielle Spielraum, um die kulturpolitischen Pläne für Österreich auch wirk-
lich in die Tat umzusetzen, wurde auf deutscher Seite nach 1933 indes kleiner. Der
neue Präsident der DFG, Johannes Stark, geriet bald nachdem er die Amtsgeschäfte
übernommen hatte mit dem Reichserziehungsministerium in Streit darüber, wie die
Förderstrategie der DFG neu auszurichten sei. Stark wollte die Förderpolitik der DFG
stärker auf Autarkieforschung ausrichten und zu diesem Zweck Groß- und Gemein-
schaftsprojekte ins Leben rufen. Daneben sollte die DFG Studien zur »Erb- und Ras-
senpflege« finanziell unterstützen. Das Ministerium saß am längeren Hebel und kürzte
seine Zuschüsse für die DFG massiv.173 Damit sanken auch die Fördermittel der
ÖDW. Ihr knapperes Budget wurde nun stärker als bisher nach politischen Gesichts-
punkten verteilt und im Rahmen des Bewerbungsverfahrens nun auch die politische
Gesinnung der Antragsteller geprüft.174 Georg Kirsch, der ebenso wie Georg Stetter
mit der NSDAP sympathisierte, erhielt nicht zuletzt dank der persönlichen Fürsprache
Starks Sachbeihilfen.175 Wer in Österreich das nationalsozialistische Regime im Deut-
schen Reich offen kritisierte, hatte hingegen keine Aussicht mehr, durch die ÖDW
gefördert zu werden. So geriet beispielsweise das Innsbrucker Institut für Strahlenfor-
schung in finanzielle Nöte, als sowohl das Bundesministerium für Unterricht als auch
die ÖDW 1933/34 ihre Unterstützung aussetzten. Hess, der das Institut leitete, hatte
die Entwicklungen im Nachbarland wiederholt scharf kritisiert. Im Frühjahr 1935
schien es, als müssten die Versuchsreihen zur kosmischen Höhenstrahlung an der
Messstation auf dem Hafelekar gänzlich eingestellt werden. In einem Schreiben an die
Rockefeller Foundation klagte Hess :
171 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin, Bd. 1 (Wissenschaft. Institute und Vereinigungen), R
65815 : AA an RMI vom 19.7.1933.
172 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 11, Fiche 172 : Ortner an DFG vom 22.4.1937, und vom
20.6.1938.
173 Vgl. Flachowsky 2008, 167–174.
174 Vgl. Mertens 2004, 293–295. Forschungseinrichtungen wie die in Wien angesiedelte Südostdeutsche
Forschungsgemeinschaft (SODFG), deren wissenschaftliche Projekte mit den politischen Zielen des Na-
tionalsozialismus kompatibel waren, finanzierten sich fast ausschließlich über reichsdeutsche Zuschüsse.
Die Gelder aus Berlin änderten an der prekären finanziellen Lage der SODFG vor 1938 jedoch wenig.
Vgl. Svatek 2010a, 294f.
175 Vgl. BAB, R 1519/70, Bl. 27 : Kirsch an Stark vom 21.11.1936. Siehe auch Bundesarchiv Koblenz, R
73/12131 : Beihilfe für G. Kirsch über 300 RM zur Weiterführung der Untersuchungen über Atomzer-
trümmerung durch radioaktive Strahlen, undatiert [1937]. Das von Kirsch beantragte Stipendium war
von der DFG wegen Budgetknappheit zuvor abgelehnt worden.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369