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Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«,
1938–1945262
um Sonderzahlungen an, damit die Universität »infolge des Wegfalles der größeren
Tagungen und in Anbetracht der geographischen Lage Wiens« nicht ins wissenschaft-
liche Abseits gerate. Das Ministerium überwies daraufhin bescheidene Mittel, mit
denen Gäste aus dem In- und vor allem aus dem südost- und osteuropäischen Ausland
eingeladen wurden.135 Zu größeren Zugeständnissen finanzieller Natur ließ sich das
REM allerdings nicht herbei.136
Schon in den 1930er Jahren nahm die Wiener Gruppe kaum an wichtigen interna-
tionalen kernphysikalischen Tagungen teil, sieht man einmal von Veranstaltungen im
Deutschen Reich ab. Politische Gründe wie das Ausreiseverbot für illegale Nationalso-
zialisten in Österreich waren dafür ebenso verantwortlich wie fehlende finanzielle
Mittel. Zu einigen Tagungen, auf denen sich die internationalen kernphysikalischen
Kapazitäten in den 1930er Jahren trafen, wurden die Wiener gar nicht erst eingela-
den.137 Es fiel daher nicht besonders auf, dass die Gruppe ihre Vortragstätigkeit auch
nach 1938 vornehmlich auf Städte in der »Ostmark« konzentrierte.138
Die politischen Umbrüche seit der Angliederung Österreichs an das Deutsche Reich
trugen zweifelsohne dazu bei, die internationalen Beziehungen der Radioaktivisten-
und Kernforschungsgemeinschaft zu zerstören. Umgekehrt erleichterte der »Anschluss«
jedoch den deutsch-österreichischen Wissenschaftsaustausch und ermöglichte es, die
Kontakte zu den deutschen Kolleginnen und Kollegen zu reaktivieren. Berta Karlik
nutzte die Gelegenheit und besuchte auf dem Weg in den schwedischen Sommerur-
laub mehrere Berliner Institute.139 Schon die politische Annäherung der Regierung
Kurt Schuschniggs an das nationalsozialistische Deutsche Reich hatte dazu geführt,
dass der wissenschaftliche Reiseverkehr ab 1936/37 einfacher wurde. Spätestens seit
Beginn des Jahres 1938 durften auch als Nationalsozialisten bekannte Physikerinnen
17.4.1941 ; ebd. Bericht über die Tätigkeit des Institutes für Radiumforschung vom Mai 1944 bis zum 1.
November 1945, undatiert [1945].
135 Vgl. ÖStA, AdR, Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien, K 2/1145 : REM an Kurator
vom 6.5.1944.
136 Vgl. BAB, R 4901/13553 : Georg Stetter, Antrag auf Umwandlung der a.o. Professur für Physik (Radi-
umforschung) in eine o. Professur, undatiert [1943].
137 Vgl. MC, FFJ, F 144, Fiche 51 : Physikalisches Institut der ETH Zürich, Einladung zur physikalischen
Vortragswoche über Kältephysik und Physik des Atomkerns vom Juli 1933 ; MC, Fonds Irène Curie, I
34, IVe Congrès International de Radiologie Zurich 24–31 Juillet 1934 Communication Nr. 2 ; CAC,
MTNR 5/17/2, Bl. 40 : Scherrer an Meitner vom 26.10.1937 ; MC, FFJ, F 146, Fiche 299 : Académie
des Sciences de l’URSS an Joliot-Curie vom 28.5.1937 ; AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 19, Fiche
307 : Schweidler an Meyer vom 9.8.1937, und MC, FFJ, F 145, Fiche 457 : Scherrer an Joliot-Curie vom
23.12.1938.
138 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 271 : Ortner an Meyer vom 5.10.1942 ; ebd., K 10,
Fiche 160 : Benndorf an Meyer vom 21.2.1944.
139 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 14, Fiche 235 : Karlik an Meyer vom 26.9.1938.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369