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An der Peripherie des neuen Netzwerks 287
verfahrens und des Fliegerfilms.269 Angesichts fehlender Rohstoffe und des wachsenden
Einsatzes kaum qualifizierter ausländischer Fremdarbeiter sank die Qualität der hochsen-
siblen Emulsionen.270 Platten für die Höhenstrahlungs- und kernphysikalische For-
schung wurden kaum noch produziert.271 Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass
Werner Heisenberg als wissenschaftlicher Leiter des Uranvereins sich sehr dafür interes-
sierte, die Methode weiter zu entwickeln.272 Der Kriegswirtschaft zum Trotz, aber mit
zum Teil erheblicher Zeitverzögerung, bemühte man sich in der Filmfabrik, den Anfra-
gen der verschiedenen lokalen Gruppen des Uranvereins gerecht zu werden.273
Die Zeiten, als die Wiener Gruppe mit Platten immer größerer Dicke aus Wolfen
versorgt wurde, waren aber 1943 vorbei. Im Sommer des Jahres berichtete Hertha
Wambacher nach Wolfen :
»Sie sehen, dass ich mir wieder 10 μ abgerungen habe in Hinblick auf die schlechten Zeiten.
Ganz verzichten möchte ich nicht, wenn es irgendwie geht, auf die dicken Platten, weil die
Energie der Protonen doch wesentlich sicherer angegeben werden kann u. die Ausbeute sich
sehr erhöht.«274
Sie wertete in der folgenden Zeit nur noch sporadisch Kernspuremulsionsplatten aus.
Auch ihre kernphysikalischen Messreihen scheiterten am schlechten Plattenmaterial,
der schwachen Strahlungsquelle und an personellen Engpässen.275 Im Mai 1944 riss
ihr Kontakt zu Erwin Schopper ab.276 Wambacher befasste sich bis Ende 1944 prak-
269 Vgl. Dimsdale 1949, 3 ; Gill 2006, 30. Die Filmproduktion galt als nicht unmittelbar kriegswichtig und
erhielt daher nicht die höchste Dringlichkeitsstufe. In der Folge stockte die Zuweisung von Rohstoffen
und Personal. Im Mai 1942 reduzierten die deutschen Fotobetriebe ihre Kapazitäten auf Weisung der
Reichsstelle für Chemie um 20 Prozent.
270 Vgl. Gill 2006, 32, 34–35.
271 Vgl. AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 2 : Eggert an Wambacher vom
27.8.1942.
272 Vgl. Rechenberg 1996, 255. Von Eggert erhielt Schopper Unterstützung bei seinem Plan, sich bei Ger-
hard Hoffmann in Leipzig mit einem entsprechenden Thema zu habilitieren. Vgl. AIFM, Abteilung For-
schung Symposium Persönlichkeiten Werbung Dokumentation IR-Material, A 19848–19850 : Schop-
per an Eggert vom 7.3.1942. Heisenbergs Interesse an Fragen der kosmischen Strahlung nahm gegen
Kriegsende zu. Vgl. AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 5/1 : Heisenberg an
Albers vom 11.5.1944.
273 Vgl. AIFM, Wissenschaftliche Abteilung Forschung Symposium Persönlichkeiten Werbung Dokumen-
tation IR-Material, A 19848–19850 : Eggert an Schopper vom 5.3.1943.
274 AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 2 : Wambacher an Eggert vom 6.7.1943.
275 Vgl. Powell/Fowler/Perkins 1959, 19.
276 Vgl. AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 2 : Eggert an Wambacher vom
11.5.1944. Die Kontakte zwischen Schopper und Wambacher beziehungsweise der Wiener Gruppe blie-
ben während des Krieges begrenzt und es kam zu keinen koordinierten Treffen in Wolfen, obwohl es
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369