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Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«,
1938–1945288
tisch nur noch damit, radioaktive Indikatoren für medizinische und metallurgische
Zwecke vorzubereiten.277
Schopper erhielt dagegen noch im Spätherbst 1943 Platten aus Wolfen, die »wie
üblich 9x12 cm 130–150 μ stark vergossen« waren.278 In Friedrichshafen setzten er
und Regener alles daran, die kernphysikalischen Versuche mit Agfa-Fotoplatten auszu-
weiten. Zugleich setzten sie ihre Höhenstrahlungsversuche fort und suchten zu diesem
Zweck die Fühlungnahme mit den Innsbrucker Physikern.279 Anlässlich seines Besu-
ches in Wolfen im Oktober 1942 regte Schopper an, verschiedene Emulsionen zu
untersuchen, die unterschiedlichen Strahlungsarten wie zum Beispiel α-Strahlen, Deu-
teronen, Elektronen, Röntgen oder Licht ausgesetzt werden sollten.280 Um die Unter-
suchungen durchführen zu können, bedurfte es unterschiedlicher Strahlungsquellen.
Vor allem wollte Schopper Platten künstlicher Strahlung aussetzen, die in einem Zyk-
lotron erzeugt worden war. In Heidelberg, das von Schoppers beziehungsweise Rege-
ners Institut am Bodensee nicht weit war, hatte der Bau des Zyklotrons bereits 1942
begonnen.281 Es ging aber erst 1944 in Betrieb. Walther Bothe, der das Institut für
Physik des KWI für Medizinische Forschung in Heidelberg leitete, verfügte aber über
beste Kontakte nach Paris, wo sein Assistent Wolfgang Gentner Frédéric Joliot dabei
half, das dortige Zyklotron in Betrieb zu nehmen. Die Pariser Anlage wurde mit Zu-
stimmung Joliots seit September 1940 von mehreren deutschen Physikern unter Lei-
tung Gentners für kernphysikalische Versuche genutzt. Sie war 1941/42 der einzige
funktionsfähige Beschleuniger im deutschen Machtbereich.282 Im Juli 1943 führten
Schopper und Regener gemeinsam in Paris Versuche durch um zu testen, ob sich K-
Platten für die Aufnahme von Korpuskularstrahlen eignen.283 Die Weiterentwicklung
der Emulsionen für kernphysikalische Zwecke erfolgte in der Filmfabrik nun im Wehr-
entsprechende Planungen gab. Vgl. AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 2 :
Schopper an Wambacher vom 19.2.1943.
277 Vgl. OOFR, Mappe 19143 : Aufklärungsabteilung des 336. NKWD-Grenzregimentes, Protokoll der
Vernehmung der Dozentin Hertha Wambacher (russisch) vom 2.5.1945.
278 AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 2 : Aktennotiz Besuch Dr. Schopper am
12. und 13.11.43 vom 23.11.1943.
279 Vgl. AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 2 : Aktennotiz Besuch Dr. Schopper
am 4. und 6.10.43 in Wolfen vom 26.10.1943.
280 Vgl. AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 2 : Aktennotiz betr. Besuch Dr.
Schopper am 20./21.10.42 in Wolfen vom 23.10.1942.
281 Vgl. zu den kernphysikalischen Arbeiten von Bothe und Gentner mittels der fotografischen Methode
Bothe 1953, 12–13.
282 Vgl. Metzler 2000b, 690, 692, 694. Die dem Zyklotron zugedachte Hauptaufgabe, nämlich Transurane
für militärische Zwecke herzustellen, wurde wegen Sabotage nicht erfüllt. Vgl. ebd., S.
690–691.
283 Vgl. AIFM, A 11444 : Monatsberichte Wissenschaftliche Abteilung Prof. Eggert, Quartalsbericht I/1943
für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1943.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369