Page - 290 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«,
1938–1945290
lung von qualitativ hochwertigen Platten musste sie ihre Forschungsarbeit auf dem
Gebiet schließlich einstellen.
Die Wiener Forschungsgruppe um Georg Stetter hatte schon in den 1930er Jahren
den Ruf, findige Instrumentenbauer hervorzubringen. Indem sie sich darauf konzent-
rierten, kernphysikalische Daten zu sammeln und auszuwerten, führten die Wiener
eine Forschungsrichtung fort, die durch die erste und zweite Generation der Exner-
Schüler begründet worden war. Diese Stärke konnten sie im Rahmen des Uranvereins
ausspielen. Rückblickend sah Stetter den Beitrag der Österreicherinnen und Österrei-
cher zum deutschen Kernforschungsprojekt darin, »sehr viel relevante Kleinarbeit ge-
leistet« zu haben.288
Nach der Entdeckung der Kernspaltung durch Otto Hahn und Fritz Strassmann
ging es darum, Energieniveaus und Wirkungsquerschnitte von Kernspaltungsprozes-
sen zu bestimmen. Die in Wien durchgeführten Messungen dienten dazu, die im
Kernspaltungsprozess auftretenden Umwandlungen und Energieverhältnisse quantita-
tiv zu bestimmen. Willibald Jentschke und Friedrich Prankl untersuchten seit 1939 die
Energien und Massen der Kernbruchstücke des Urans und des Thoriums. Ihre Ergeb-
nisse veröffentlichten sie in renommierten Fachjournalen. Gemeinsam mit Karl Lint-
ner berichtete Jentschke 1942 über die Reichweitenverteilung der schweren Kern-
bruchstücke aus Uran, das mit langsamen beziehungsweise mit schnellen Neutronen
beschossen worden war. Jentschke und Prankl wiesen gemeinsam mit Friedrich Hern-
egger nach, dass neben Uran und Thorium auch Ionium durch Neutronen gespalten
werden kann.289 Georg Stetter und Willibald Jentschke bestimmten die Energiespek-
tren der Uranbruchstücke sowie die potenzielle Kernenergie in anderen Kernen als
Uran 235 (Ionium, Uran 238, Funkenentladung). Sie stellten ihre Ergebnisse im März
1941 auf einer Tagung des Uranvereins in Berlin vor und publizierten sie 1943 in der
»Zeitschrift für Physik«.290 Georg Stetter und Karl Lintner veröffentlichten ihre Mess-
ergebnisse zum Verhalten schneller Neutronen in Uran im November 1941.291 1942
berichtete Stetter abermals über schnelle Neutronen im Uran, und Jentschke stellte
seine Forschungsergebnisse zum Spaltungsquerschnitt von Uran 238 in Abhängigkeit
288 UAW, NL Stetter, Sch 312, Inv. 131.410 : Österreichische Studiengesellschaft für Atomenergie
Ges.m.b.H : Unterlagen zur Pressekonferenz vom 10.7.1963.
289 Siehe zu den Publikationen UAW, NL Stetter, Sch 312, Inv. 131.410 : Lebenslauf Willibald Jentschke,
undatiert, und zu den Arbeiten im Einzelnen OOFR, Mappe 19143 : Protokoll der Aussagen des Me-
chanikers im Radiuminstitut Walter Opawsky (deutsch und russisch), undatiert [Mai 1945 ?].
290 Vgl. AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 56 : Tagung im KWI für Physik
vom 13. bis 14.3.41, Bericht vom 15.3.1941 ; Jentschke 1943.
291 Vgl. AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 54 : Oberkommando des Heeres an
Heisenberg vom 10.3.1943.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369