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An der Peripherie des neuen Netzwerks 299
sie sei selbst den Mitgliedern des Uranvereins nicht bekannt gewesen. Der Hinweis auf
derartige Aktivitäten in der zweiten Liga deutschsprachiger Kernforscherinnen und
Kernforscher wirft die Frage auf, an welchen anderen Orten möglicherweise ähnliche
Versuche unternommen worden sind.329
Anfang der 1960er Jahre tauchten in der österreichischen Presse Behauptungen auf,
dass die Wiener Kernforscher bereits 1939 auf dem Militärschießplatz in Klosterneu-
burg vor den Toren Wiens erfolgreich einen Fusionsversuch unternommen hätten.330
Die wissenschaftshistorische Literatur bewertet ein mögliches österreichisches Engage-
ment in der Entwicklung von hybriden Kernwaffen überwiegend zurückhaltend.331
Skepsis ist in der Tat angebracht, findet sich doch in den Quellen staatlicher und pri-
vater Provenienz, die aus der Kriegszeit stammen, kein Hinweis auf solche Aktivitäten.
Etwas anders verhält es sich mit den Aufzeichnungen der US-amerikanischen Besat-
zungsorgane, die noch während des Krieges begannen, den Aktivitäten des deutschen
Atomprojekts nachzuspüren. Die dort enthaltenen Informationen blieben jedoch vage.
So erhielt der US-Geheimdienst im Mai 1949 von dem zu dieser Zeit bereits in der
Sowjetunion arbeitenden Josef Schintlmeister die Auskunft, Karl Lintner habe gemein-
sam mit Georg Stetter an dem Problem gearbeitet, »Energie aus Lithiumhydrid (LiH)
freizusetzen oder [sic !] dessen atomare Spaltung zu bewirken«.332 Das Projekt sei er-
folglos abgebrochen worden, weil leistungsfähige Elektroden und Materialien gefehlt
hätten, die der Hitze standhalten konnten.333 Robert A. Snedeker, ein Mitarbeiter des
US-amerikanischen Counter Intelligence Corps (CIC), befragte Lintner 1953 direkt
zu seinen Aktivitäten während des Krieges. Er gab danach zu Protokoll :
»Source [Lintner, S. F.] was Dr. Georg Stetter’s assistant in the Second Physical Institute dur-
ing World War II, when Stetter was working on the splitting of the lithium nucleus. Stetter
intended to have certain processes patented, in connection with splitting nuclei, but Source
is unaware of the result of this intention. All of Stetter’s research material and notes fell into
the hands of the Soviets in 1945«.334
329 Die Literatur hierzu trug bisher allerdings überwiegend spekulative Züge. Vgl. Mayer/Mehner 2001.
330 Vgl. UAW, NL Stetter, 131.40 : Wiege der Wasserstoffbombe stand bei Wien, in : Salzburger Nachrich-
ten vom 13.7.1963.
331 Vgl. Karlsch 2012, 149–152 ; Petermann 2007, 329. In seiner früheren Monographie verweist Karlsch
auf einen missglückten Versuch im Hof des Instituts für Radiumforschung, der mittels Funkenentla-
dung eine Fusion leichter Kerne einleiten sollte. Vgl. Karlsch 2005, 147.
332 NARA, RG 330, Box 103, Entry 1 B : AC of S, G2 (Dept of the Army), Lintner, Karl Rudolf Josef, un-
datiert.
333 Vgl. NARA, RG 330, Box 103, Entry 1 B : Assistant Chief of Staff, G–2, Department of the Army, Wa-
shington, [Dossier] Lintner, Karl Rudolf Josef, undatiert [1951].
334 NARA, RG 319, Box 222D, XA001081 : R.A. Snedeker, CIC Sub-Det »C« (Vienna), Agent Report Dr.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369