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Die Alliierten als Arbeitgeber 319
durchzuführen, für Chemiker und Ingenieure gleichermaßen interessant erschien.
Damit konnten aber die Vorbehalte nicht aus dem Weg geräumt werden, die gegen den
vormaligen SS-Oberscharführer auf US-amerikanischer Seite bestanden.63 Es dauerte
fast zwei Jahre, bis den US-Behörden im Frühjahr 1949 eine erste verbindliche Liste
von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Österreich vorlag, die im Rahmen
des Paperclip-Programms begutachtet worden waren.64
Die ambivalente Haltung der US-Behörden wird am Beispiel Georg Stetters beson-
ders deutlich. Ebenso wie Willibald Jentschke wurde er zunächst in die Kategorie »B«
eingereiht. Wer dieser Gruppe angehörte, deren Zahl größer war als die sehr kleine
Gruppe der unter »A« gelisteten, wurde als »ziemlich bedeutend« eingeschätzt. Sie
sollten auf keinen Fall den sowjetischen Sonderkommissionen in die Hände fallen.65
Im Mai 1946 erhielt Stetter den Befehl, im Rahmen des »denial program« für die US-
amerikanische Militärregierung in Salzburg zu arbeiten. In Ermangelung von Instru-
menten und Apparaten gab er seine Pläne, die Kernforschung weiterzuführen, bald auf.
Stattdessen untersuchte er, finanziert von US-amerikanischen Geldern, im Rahmen
der Arbeitsgemeinschaft Zell am See die Staubentwicklung in Bergwerken und legte
damit den Grundstein für seine spätere Aerosolforschung an der Universität Wien.66
Stetter lebte und forschte in Salzburg unter ärmlichen Bedingungen und war ange-
sichts fehlender Berufsaussichten in Österreich an einer dauerhaften Beschäftigung in
den USA interessiert.67 Für das Paperclip-Programm kam er aber nicht in Betracht,
jedenfalls ist sein Name auf keiner der Listen erwähnt. Sein Arbeitsvertrag wurde im
Herbst 1948 schließlich gekündigt ; Stetter blieb jedoch auf der denial-Liste und es
wurden ihm 1949 Mittel bereitgestellt, um in der Außenstelle des United States Army
Criminal Investigation Command in Zell am See ein Labor einzurichten.68 Dort
wandte er sich schließlich meteorologischen Studien zu, da er für andere Projekte we-
63 Vgl. NARA, RG 330, Box 66, Entry 1 B : Record of the Office of the Secretary of Defense, Office of Re-
search and Engineering, JIOA Foreign Scientists Case Files, Hecht, Fritz : Army Project 63 vom 6.7.1951.
64 Vgl. NARA, RG 319, Box 31, Entry 134-A : Austrian scientists recommended for inclusion on JIOA
List, undatiert [März 1949 ?]. Zuvor waren Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Österreich
in verschiedenen Listen deutscher Spezialisten aufgeführt worden. Vgl. NARA, RG 319, Box 1, Entry
1019 : Joint Intelligence Objectives Agency, Evacuation of Austrian Scientific Personnel of Vital Security
Interest to the United States vom 17.3.1949.
65 NARA, RG 77, Box 174, Entry 22 : McNarney (USFET Frankfurt Germany) an Chamberlin vom
6.1.1947.
66 Vgl. NARA, RG 319, Box 222D, XA001081 : Memorandum von Georg Stetter vom 24.22.1947.
67 Vgl. NARA, RG 319, Box 222D, XA001081 : CIC Salzburg, Memorandum for the Officer in Charge re
Stetter, Georg, vom 4.11.1947.
68 Vgl. NARA, RG 319, Box 222D, XA001081 : J. J. Irvin, Memorandum Dr. Stetter vom 14.12.1948 ;
ebd., CIC Salzburg, Stetter, Georg, Background Investigation vom 13.3.1952.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369