Page - 115 - in Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
Image of the Page - 115 -
Text of the Page - 115 -
zumindest formaliter letztlich vom Kaiser genehmigt. Überdies waren die Bücher-
revisionsämter für die Zensurierung der lokalen Zeitungen (nicht aber der Zeit-
schriften) zuständig, was schon allein wegen des großen Zeitverlusts durch einen
Versand nach Wien geboten war, und sie organisierten auch die Vergabe von
Scheden für mit dem Urteil ,erga schedam‘ abgefertigte Bücher in Eigenregie.68
Ausnahmen von diesen eingeschränkten Kompetenzen der Bücherrevisionsäm-
ter in den Länderhauptstädten bildeten Lemberg, Mailand und Venedig. In den
dortigen Ämtern wurden sämtliche Manuskripte von Neuerscheinungen und
von außen einlangende Bücher in polnischer bzw. italienischer Sprache beur-
teilt. Sowohl die Listen verbotener wie auch die Verzeichnisse der zugelassenen
Schriften zeigen, dass die Quantität der Produktion in diesen Sprachen eine sol-
che Vorgangsweise nahelegte.
Das Bücherrevisionsamt war nicht zuletzt eine Relaisstation innerhalb der
Zensurabläufe, daraus ergaben sich zahlreiche von den Revisoren (im Wiener
Bücherrevisionsamt waren 1810 nur drei Revisoren tätig) und Kanzlisten zu erle-
digende Aufgaben. Sie nahmen die Manuskripte und zum Nachdruck eingereich-
ten Bücher entgegen und leiteten sie bei Bedenken an geeignete Zensoren wei-
ter.69 Den offensichtlich unbedenklichen oder von den Zensoren positiv
beurteilten Manuskripten erteilten sie das Imprimatur und reichten sie an die
Autoren oder Verlage zurück. Alle aus dem Ausland aufgrund von Bestellungen
von Buchhändlern oder zur Ansicht einlangenden Bücher, die in Österreich noch
nicht bekannt, das heißt erlaubt oder verboten waren, leiteten sie in die Zensur
ein. Dabei waren mitunter umfassende Sprachkenntnisse, und zwar von sowohl
innerhalb wie außerhalb der Monarchie verwendeten Sprachen, vonnöten. Neben
französischen und englischen kamen unter anderem auch italienische, polnische,
ruthenische, tschechische und ungarische Schriften vor.70 Die Gutachten der Zen-
soren über ausländische Bücher gingen an die Polizei- und Zensurhofstelle, die
die Entscheidung traf. Bei politisch brisanter Literatur musste überdies die Stel-
lungnahme der Staatskanzlei, bei Gesetzessachen der Hofkanzlei, bei Schulbü-
chern der Studienhofkommission, bei militärischen Schriften des Hofkriegsrats
68 Zeitweise hatten die Revisionsämter in den Ländern auch das Recht, den Zensurgrad ,erga
schedam‘ zu vergeben; vgl. Julius Marx: Vormärzliches Schedenwesen. In: Mitteilungen des
Österreichischen Staatsarchivs 16 (1963), S. 453–468, hier S. 455.
69 Bei Manuskripten scheinen zwei Zensoren herangezogen worden zu sein, bei gegensätzlichen
Gutachten sogar ein dritter Zensor, jedenfalls schreiben dies Marx: Die österreichische Zensur
im Vormärz, S. 18, und nach ihm einige andere Autoren. Einzelne Fälle, etwa jener von Grill-
parzers Gedicht „Campo vaccino“ im Taschenbuch Aglaja (siehe dazu S. 121–124), sprechen
aber dagegen, dass dieses aufwändige Verfahren lückenlos durchgeführt wurde. Bei der Revi-
sion von bereits gedruckten Büchern wurde jedenfalls nur ein Urteil eingeholt.
70 Vgl. die im Abschnitt zur Statistik angeführten detaillierten Aufgliederungen der zensurierten
Manuskripte und Bücher nach Sprachen.
3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 115
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510