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waren. So erübrigte sich ab den 1820er Jahren die Strategie, problematische
Manuskripte aus Böhmen nach Wien einzusenden, weil sich die Autoren so eine
mildere Zensur von einem mit der lokalen Lage nicht vertrauten Zensor erhoff-
ten.47
Das Privilegium zur Herausgabe einer politischen Zeitung wurde vom Lan-
despräsidium verpachtet; zuständig für die Zensur waren in diesem Fall der
Zensurreferent im Landespräsidium, der Sekretär des Prager Oberstburggrafen,
die Prager Stadthauptmannschaft oder der für Belletristik zuständige Zensor.
Der Wechsel der für die Zeitungszensur kompetenten Behörde wurde in der
Regel durch brisante Vorfälle verursacht. So wurde Ende 1835 der für die Zen-
sur der tschechischen politischen Zeitung Pražské noviny zuständige Präsidial-
sekretär Emanuel Hikisch entlassen, nachdem sich die russische Botschaft in
Wien über einen kritischen, gegen den Absolutismus des russischen Zaren gerich-
teten Kommentar beschwert hatte; in der Folge wurde die Zensur der tschechi-
schen Zeitung dem Zensor für Belletristik zugeteilt. Der Redakteur František
Ladislav Čelakovský, der den Kommentar verfasst hatte, wurde nicht nur seines
Postens enthoben, sondern verlor auch seine Stelle als Supplent für tschechische
Sprache und Literatur an der Prager Universität. Das war wohl kein bloßer
Nebeneffekt der Affäre, es stellte sich nämlich im Lauf der amtlichen Erhebun-
gen heraus, dass Václav Hanka, Čelakovskýs Konkurrent um die definitive Beset-
zung der Universitätsprofessur für tschechische Sprache und Literatur, dem rus-
sischen Botschafter den problematischen Zeitungskommentar angezeigt hatte.48
Anders als die Zeitungszensur wurden Artikel für inländische Zeitschriften
im institutionellen Rahmen der Bücherzensur erledigt. Eine Ausnahme bildeten
lediglich einige außerhalb Prags erscheinende Zeitschriften, die von den Beam-
ten der jeweiligen Kreishauptmannschaft zu zensieren waren. Ein zumindest so
wichtiges Instrument der Kontrolle wie die Zensur des Inhalts war die Bewilli-
gung zur Herausgabe der periodischen Schrift. Diese erteilte die Wiener Poli-
zeihofstelle aufgrund von Stellungnahmen der Prager Stadthauptmannschaft
und des böhmischen Landespräsidiums, die vor allem auf die Person des Antrag-
stellers, die vorgeschlagenen Mitarbeiter sowie den Inhaltsentwurf Bezug nah-
men. Aber auch ökonomische Gründe wurden in Betracht gezogen, der Umstand
nämlich, inwieweit eine Neugründung den Umsatz der existierenden Periodika
47 Vgl. auch Petr Píša: „Damit es ohne Beanstandungen durchgeht“. Strategien im Umgang mit
der vormärzlichen Zensur in Böhmen am Beispiel von Václav Hanka. In: Julia Danielczyk/
Murray G. Hall/Christine Hermann/Sandra Vlasta (Hg.): Zurück in die Zukunft – Digitale
Medien, historische Buchforschung und andere komparatistische Abenteuer. Festschrift für
Norbert Bachleitner zum 60. Geburtstag. Wiesbaden: Harrassowitz 2016, S. 55–67.
48 Die betreffenden Dokumente sind abgedruckt bei: František Bílý/Václav Černý (Hg.): Kores-
pondence a zápisky Františka Ladislava Čelakovského, Teil 4/1. Praha: Česká akademie věd
a umění 1933, S. 216–255.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
210 4. Ein Blick in die Länder
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510