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Die ältern Gesuche des Bücher Revisionsamts in Mailand um Vermehrung des Amts-
personals scheinen die Vermuthung zu begründen, daß die Geschäfte dieses Bücher
Revisionsamts unter den von Sr.
Majestät für dasselbe ernannten vier Beamten nicht
ordentlich vertheilt sind, und das ein und der andere Beamte, weil er nach seinem
Caracter nur auf einen Zweig der Amtsgeschäfte angewiesen zu seyn scheint, sich mit
einem anderen Zweig gar nicht befaßen will. Dieses scheint mir besonders der Fall
mit den zwey Bücher Revisoren zu seyn. Die Bücher Revisionsgeschäfte selbst kön-
nen denselben wohl nur wenig Zeit nehmen.94
Wie es in dem Schreiben weiter heißt, wären selbst in Wien, „wo die gesamte
In- und Ausländische Literatur zusammen fließt, und jährlich zwieschen [!] 4-
und 5000
Bücher und Manuskripte […] in ämtliche Verhandlung kommen“, nur
vier ordentliche Beamte und ein Kanzlist mit den Geschäften betraut.
Diese Wiener Zahlen, sofern sie zuverlässig sind, scheinen in der Tat um 1818
herum jene in Mailand um das Doppelte zu übertreffen. Wir wissen von den
erhaltenen gedruckten Listen in Mailand bearbeiteter Bücher,95 dass 1818 in
Summe 1661
Titel, 1819 etwas mehr, nämlich 1757
Titel bearbeitet wurden. Die-
ser Arbeitsaufwand wird auch von einem Verzeichnis von Titeln bestätigt, die
der Zensor Bartolomeo Nardini 1819/20 in seinem ‚Probejahr‘ zu behandeln
hatte, welches 269 importierte Druckschriften und 259 Manuskripte umfasst,
also in Summe 528 Titel, was in jedem Fall deutlich mehr als ein Viertel der
Gesamtsumme der jährlich überprüften Bücher ausmacht.96 Für Venedig und
seine Provinzen sind die Zahlen vergleichbar, allerdings konstant niedriger. Zwar
spricht Berti an einer Stelle, wenn man seine Zahlen für Manuskripte, Nachdru-
cke und Importe in Venedig zusammenrechnet, von 1271 Titeln für 1824 und
4469 für 1840,97 allerdings dürfte es sich dabei um einen Ausreißer nach oben
ni alle Case Rotte, heute Piazza della Scala. Spätestens 1843 war jedoch erneut die Rede von
einer Übersiedlung in besser geeignete Räumlichkeiten.
94 ASM, AdG, Studi p. m. 87, Sedlnitzky an Strassoldo vom 25.3.1818.
95 Diese Listen mit dem Titel Nota delle opere esaminate nel decorso del suddetto mese dall’Imp.
Regia Censura, e dei voti interinali dalla medesima emessi per servire di norma in pendenza
dell’invocata approvazione dell’Eccelso Supremo Aulico Dicastero di Censura di Vienna (in ASM,
AdG, Studi p. m. 77–82) existieren für Mailand geschlossen von 1818 bis 1839 und ebd. auch
für Venedig, allerdings mit gelegentlichen Lücken. Sie belegen den im Laufe des Jahres 1817
in die Wege geleiteten Informationsfluss zwischen Mailand und Venedig bzw. zwischen den
Bücherrevisionsämtern und den Provinzzensoren; vgl. dazu auch einen Briefwechsel zwischen
Zanatta, dem Governo und Sedlnitzky in ASM, AdG, Studi p.
m.
75, über die formale Organi-
sation.
96 ASM, AdG, Studi p.
m.
88, Fasz. Nardini: „Elenco delle opere stampate esaminate“ bzw. „Mano-
scritti e ristampe esaminate dal Censore Nardini“.
97 Nach den Zahlen in Berti: Censura e circolazione, S. 32. Es heißt dort explizit, dass 1840 die
Zahl an importierten Büchern etwa sechsmal so hoch sei wie 1824, nämlich 2793 statt 407.
4.2. Daniel Syrovy:Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 229
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510