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und Kaspar fertigen Zauberpfeile statt magischer Kugeln an und verschießen sie
mit einer Armbrust, der Jäger Samiel und der Einsiedler fielen der Schere der
Zensoren zum Opfer.46 Den Abstand zwischen Wirklichkeit und Fiktion mög-
lichst groß zu halten, war den Zensoren außerordentlich wichtig. Bezüge zu zeit-
lich und/oder geographisch naheliegenden Gegebenheiten erachteten sie als
gefährlich, deshalb durfte der Freischütz nicht in Böhmen spielen und wurde
zeitlich ins Mittelalter zurückverlegt. Überdies war der Wiener Erzbischof mit
den pseudo-religiösen Motiven unzufrieden, da sie seiner Meinung nach den
Schluss nahelegen konnten, dass es auch mit biblischen und kirchlich approbier-
ten Wundern nicht so weit her sei.47
Auch Schubert hatte bei einigen seiner Opernprojekte Schwierigkeiten mit
der Zensur. Fierabras, nach einem Libretto von Joseph Kupelwieser komponiert,
wurde 1823 erst zugelassen, nachdem alle Hinweise auf Spanien und Frankreich
getilgt worden waren. Im Fall von Die Verschworenen, zu denen Ignaz Franz
Castelli den Text beigesteuert hatte, musste der Titel 1823 zu Der häusliche Krieg
geändert werden, um politische Untertöne auszuschließen. Ein weiteres Opern-
projekt, Der Graf von Gleichen, nach einem Libretto von Eduard von Bauernfeld,
wurde 1826 verboten, weil darin das Motiv der Bigamie eines Aristokraten vor-
kommt, obwohl die Komposition schon fortgeschritten war.48 Die Veränderung
von Schauplätzen und Titeln, die die Herstellung von Parallelen zur aktuellen
Situation unterbinden sollte, war weit verbreitet. Giacomo Meyerbeers Les Hugue-
nots wurden zu Die Ghibellinen von Pisa umgetauft, also in ein fernliegendes
Milieu abgedrängt. Der religiöse Konflikt zwischen Katholiken und Protestan-
ten war zweifellos ein brisantes Thema, in diesem Fall sorgte die zensorische
Bearbeitung für den Anachronismus, dass protestantische Choräle gesungen
werden, lange bevor Luther den Abfall von Rom ausgerufen hatte.49
Ohne Zweifel wirkte sich die Zensur nachteilig auf die Entwicklung des The-
aters in Österreich aus, wobei die Verhinderung mancher Stücke und die Bear-
beitung vieler zugelassener Theatertexte wohl nur begrenzte Wirkung hatte,
nämlich missliebige politische Botschaften von der Bühne fernhielt. Zur Zensur
gesellte sich aber eine restriktive Lizenzierungspolitik: Ab der Zeit Kaiser Franz’,
der keine neuen Theatergründungen zuließ, blieb die Zahl der Wiener Theater
46 Elizabeth Norman McKay: Franz Schubert’s Music for the Theatre. Tutzing: Schneider 1991,
S. 36.
47 Siehe Michael Walter: „Die Oper ist ein Irrenhaus“. Sozialgeschichte der Oper im 19.
Jahrhun-
dert. Stuttgart, Weimar: Metzler 1997, S. 316.
48 Vgl. Walter Obermaier: Schubert und die Zensur. In: Otto Brusatti (Hg.): Schubert-Kongreß
Wien 1978. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1979, S. 117–125, hier S. 119–120;
Norman McKay: Franz Schubert’s Music for the Theatre, S. 231, 249, 294; Alice M. Hanson:
Musical Life in Biedermeier Vienna. Cambridge: Cambridge University Press 1985, S. 46.
49 Marcel Prawy: The Vienna Opera. Wien, München, Zürich: Molden 1969, S. 17.
5.2. Die Theaterzensur in der Epoche Franz’ II./I. (1792–1835) und Ferdinands I. (1835–1848) 257
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510