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… Vive la Charte! cria Tortillard […].“337 („Deine königliche Hoheit?“ fragte
höhnisch der Knochenmann. „Was geht mich deine königliche Hoheit an? Den
steche ich tot, wenn es mir paßt. Einen so großen Herrn habe ich bisher noch
nie kaltgemacht. Jetzt hätte ich direkt Lust dazu.“ „Es gibt keine Hoheiten mehr
… Es lebe die Charte!“ rief Hinkebein […].)338
Alle diese Ausführungen und Szenen stammen aus später entstandenen Tei-
len des umfangreichen Romans, der zuerst im Feuilleton des Journal des débats
abgedruckt wurde. Verboten wurde der Titel jedoch bereits im Dezember 1842,
als in Paris gerade der dritte von zehn Bänden im Buchhandel erschienen war.
Die Ursache für das Verbot ist also im ersten Drittel des Romans zu suchen. Hier
springt der Rückblick auf die Vorgeschichte am Gerolsteiner Hof ins Auge: Die
ehrgeizige Schottin Sarah Seyton de Halsbury möchte um jeden Preis die Hand
eines Regenten erringen und umstrickt den Erbprinzen Rodolphe. Diese Pläne
kommen dem Erzieher des Prinzen, einem katholischen Priester namens Poli-
dori, entgegen, der seinen Schüler auf ein ausschweifendes Leben vorbereiten
möchte, um selbst einmal die Stelle eines Richelieu am Hof einzunehmen. Schon
in diesem Stadium des Romans war die Charakteristik des Abbé, der sich später
noch als Giftmörder profiliert, anstößig genug:
Impie, fourbe, hypocrite, contempteur sacrilège de ce qu’il y a de plus sacré parmi les
hommes, plein de ruse et d’adresse, dissimulant la plus dangereuse immoralité, le plus
effrayant scepticisme, sous un écorce austère et pieuse, exagérant une fausse humilité
chrétienne pour voiler sa souplesse insinuante, de même qu’il affectait une bienveil-
lance expansive, un optimisme ingénu, pour cacher la perfidie des ses flatteries intéres-
sées; connaissant profondément les hommes, ou plutôt n’ayant expérimenté que les
mauvais côtés, que les honteuses passions de l’humanité, l’abbé Polidori était le plus
détestable mentor que l’on pût donner à un jeune homme.339
(Der Abbé Polidori war gottlos, heuchlerisch, boshaft und verachtete das Heiligste,
das dem Menschen innewohnt. Bei seiner Verschlagenheit und Schlauheit verbarg er
leicht die gefährliche Unmoral und den grauenvollen Unglauben unter einer fröm-
melnden und sittenstrengen Hülle. Er heuchelte eine übertriebene christliche Demut,
um seinen aalglatten Opportunismus zu verbergen, und trug ein allumfassendes Wohl-
wollen und eine scheinbar aufrichtige Güte zur Schau, um seine hinterlistigen Pläne
voranzutreiben. Seine gute Menschenkenntnis, die er allerdings nur in ihren aller-
schlechtesten Gebieten erprobt hatte, seine Fähigkeit, sich die schändlichsten Leiden-
337 Ebd., S. 1240.
338 Eugène Sue: Die Geheimnisse von Paris. Vollständige Ausgabe. Aus dem Französischen von
Helmut Kossodo. Frankfurt/Main: Insel 1988, Bd. 3, S. 1860.
339 Sue: Les Mystères de Paris, S. 246.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
358 6. Fallstudien
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510