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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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zunächst eine (allgemein gehaltene) Bestimmung der sozialen Basis faschisti- scher Bewegungen durch, die er in einem nächsten Schritt an sechs Beispielen exemplifizierte : Italien, Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien und Spa- nien. Mann entwickelte damit frühere Mittelstandstheorien weiter : So hatte etwa der marxistisch geprägte Psychoanalytiker Wilhelm Reich schon in den 1930er Jahren Studien zu Beamten und Angestellten vorgelegt109, um das große Votum der Mittelschichten für die NSDAP zu erklären, an die Erich Fromm 1941 mit seinem Buch »Die Furcht vor der Freiheit« anschloss. Fromm definierte darin bestimmte Wesenszüge des sozialen Charakters, die bereits als Konzept für den Begriff des »autoritären Charakters« gesehen werden können : Autorita- rismus, Destruktivität, Rückzug, Selbstinflation und Konformismus. Dieser Ty- pus ist nach Fromm sadomasochistisch veranlagt : So bewundert er gleicherma- ßen die Autorität, wie er danach strebt, sich ihr zu unterwerfen (ein Verhalten, das nach Fromm vor allem bei Beamten und Angestellten konstatierbar ist).110 Theodor Adorno vertiefte die »Studien zum autoritären Charakter« im Rahmen eines groß angelegten Forschungsprojekts im US-amerikanischen Exil und ver- öffentlichte 1950 seine Ergebnisse erstmals in englischer Sprache.111 Manns Studie bleibt nicht  – wie frühere Arbeiten  – auf die Kategorie der sozialen Klasse beschränkt, sondern integriert Parameter wie Jugend, Bildung, Religion oder militärische Erfahrungen.112 Seine Herangehensweise wirkt dabei differenziert, diskursanalytisch und durchaus empathisch : Individuelle Schick- sale werden nachvollziehbar und ihre Übertragbarkeit in andere Settings an- schaulich gemacht, etwa wenn Mann den großen Zustrom junger Menschen zu faschistischen Bewegungen zu erklären sucht, die seiner Ansicht nach in deren angebotenen Aktivitäten vor allem Möglichkeiten der Sozialisierung zu finden glaubten : »›Fascists‹ were not fully formed at the moment they entered the movement. People may formally sign up for a movement and yet possess only a rudimentary knowledge of it  – sympathy for a few slogans, respect for a charismatic Führer or Duce, or simply fol- lowing friends who have joined. Most recruits joined the movement young, unmarried, unformed, with little adult civilian experience. On them, fascist parties and paramilitar- ies were especially powerful socialization agencies.«113 109 Reich, Die Massenpsychologie des Faschismus (zuerst 1933 in Kopenhagen erschienen). 110 Vgl. Fromm, Die Furcht vor der Freiheit.. 111 Adorno, Theodor W./Frenkel-Brunswik, Else/Levinson, Daniel  J./Sanford, R. Nevitt : The Au- thoritarian Personality. New York : 1950. In deutscher Übersetzung posthum erschienen unter dem Titel : Adorno, Studien zum autoritären Charakter. 112 Vgl. Reichardt, Neue Wege, S.  21. 113 Mann, Fascists, S.  28. 34 | Einleitung Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂĽhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂĽmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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