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»Wir können nicht wissen, wie wir uns damals verhalten hÀtten, aber wir wissen, wie
wir uns verhalten hÀtten sollen. Wir ehren die Helden des österreichischen Widerstan-
des, wir gedenken der Opfer.«308
Auch hĂ€lt sie 1991 eine öffentliche Rede bei einer groĂen Demonstration gegen
Fremdenhass in Wien. Schreibend reagiert sie mit zwei Essays auf das »Aus-
lĂ€ndervolksbegehren« der Haider-FPĂ. In sĂ€mtlichen Theatertexten und vielen
Essays der 1990er Jahre verarbeitet sie fremdenfeindliche und rechtsideologi-
sche Tendenzen in Ăsterreich.309 Auch ihr Opus Magnum, der Roman »Die
Kinder der Toten« (1995), ist unter diesem Lichte zu lesen. Als 1995 das Thea-
terstĂŒck »RaststĂ€tte«, von Claus Peymann im Akademietheater inszeniert, vom
Feuilleton als »Porno-Schwank«310 zerrissen und Elfriede auf Wahlplakaten der
Wiener FPĂ persönlich angegriffen wird, gibt sie ihren RĂŒckzug aus der Ăf-
fentlichkeit bekannt und erlĂ€sst ein österreichweites AuffĂŒhrungsverbot fĂŒr ihre
TheaterstĂŒcke.
Bereits 1998 kehrt sie aber mit dem »SportstĂŒck« ans Burg theater zurĂŒck,
weil Einar Schleef, ihr favorisierter dramaturgischer Widerpart311, sich zu dessen
Inszenierung bereit erklĂ€rt hat. Das StĂŒck wird in einer sechsstĂŒndigen Mara-
thon-Inszenierung gezeigt. Trotz der LÀnge wird es zu einem »Triumph«312 am
Burg theater, die Inszenierung wird zum Berliner Theatertreffen eingeladen und
mehrfach ausgezeichnet.313 Als Schleef im Sommer 2001 an der Inszenierung
von »Macht nichts«, Elfriedes nĂ€chstem StĂŒck, arbeitet, verstirbt er plötzlich an
den Folgen eines Herzinfarkts, worĂŒber sich Elfriede tief getroffen zeigt. Sie
hatte bereits weitere StĂŒcke fĂŒr ihn in Arbeit gehabt.314 Schleefs Inszenierung
von »Macht nichts« kommt nicht mehr heraus, die UrauffĂŒhrung muss verscho-
ben werden. Dennoch gewinnt das nunmehr unter der Regie von Jossi Wieler
uraufgefĂŒhrte StĂŒck 2002 den MĂŒlheimer Dramatikerpreis.315
Die öffentlichen Auseinandersetzungen mit der FPà vertiefen sich indes
weiter. Im Jahr 2000 marschiert Elfriede Jelinek mit Trillerpfeife bei den wö-
chentlichen »Donnerstagsdemos« gegen die neue, schwarz-blaue Koalition (ein
BĂŒndnis der konservativen Volkspartei und der rechtspopulistischen Freiheit-
308 Jelinek, zitiert nach : Janke, Nestbeschmutzerin, S. 51.
309 Zum Beispiel »Totenauberg« (1992), »Stecken, Stab und Stangl« (1996), und »Die Ăsterrei-
cher als Herren der Toten« (1991).
310 Janz, Nestbeschmutzerin, S. 186.
311 Vgl. Mayer/Koberg, Ein PortrÀt, S. 224 f.
312 Ebd., S. 224.
313 Vgl. ebd., S. 219â224.
314 »In den Alpen« ist bereits fertiggestellt, »Das Werk« gerade im Entstehen.
315 Vgl. ebd., S. 228â231. 63
Elfriede Jelinek : AnnĂ€herungâ |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Title
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Subtitle
- Eine historiografische Untersuchung
- Author
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 328
- Keywords
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die groĂe Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. ResĂŒmee 279
- 5. Epilog â Wir warenâs nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319