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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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und nicht die Arbeit«475  – eine Anspielung auf den euphemistischen Schriftzug »Arbeit macht frei«, der ĂŒber den Eingangstoren verschiedener nationalsozialis- tischer Konzentrationslager prangte (darunter Auschwitz, Groß-Rosen, Theres- ienstadt). Da es ihnen jedoch rein um den sozialen Aufstieg, nicht wirklich um Bildung geht, ist diese Vorstellung zum Scheitern verurteilt.476 Jelineks Figuren sind  – im Gegensatz zu den Figuren des bĂŒrgerlichen Entwicklungsromans, der hier karikiert wird  – nicht entwicklungsfĂ€hig.477 Durch die unnahbare bĂŒrger- liche Tochter SOPHIE, die RAINER und HANS bloß benutzt und am Ende die Überlegene bleibt, wĂ€hrend RAINER im dramatischen Finale des Buchs seine Familie »hinmetzelt«478, bleiben sie aus der Klasse, die sie erreichen wollen, »ausgesperrt«  – wiederum ein Verweis auf Sartre : Dessen TheaterstĂŒck »Die Eingeschlossenen« von 1959 spielt wie Jelineks Roman in den 1950er Jahren. Beide Texte handeln von der Verstrickung zweier Generationen in den Faschis- mus, und in beiden sind die Figurenkonstellationen Vater/Sohn sowie Bruder/ Schwester zentral.479 Das ganze Setting von Jelineks »Ausgesperrten« ist ĂŒberflutet von dem ĂŒber- wunden geglaubten Nazismus, der trotz Besatzung und Entnazifizierung nicht von der BildflĂ€che verschwunden ist : Nach dem Abzug der Besatzungstrup- pen treten »die neuen Nazis sowie die guten alten 
 wieder zutage 
 wie die BlĂŒmelein in ihren grauen NistkĂ€sten«480. Die Opfer der Vernichtung, die »Er- schlagenen, Gehenkten, Vergasten, Erschossenen, Goldzahnausgebrochenen«481, begleiten das Plot des Romans von Anfang bis Ende. Wiederum stellt sich der Faschismus als gesellschaftliches Kontinuum dar, der Nationalsozialismus hin- gegen als eine seiner möglichen Äußerungsformen, nicht als singulĂ€res Ereignis, wenn auch der Holocaust als einzigartig gelten muss. Zu Beginn der 1980er Jahre begann Jelinek verstĂ€rkt am Wortmaterial direkt zu arbeiten und Wörter, Phrasen und idiomatische Wendungen zu deformieren, um die Gewalt an der Sprache, also deren Manipulation und ideologische Ver- einnahmung, noch deutlicher vorzufĂŒhren und damit deren Mythenhaftigkeit zu entlarven. Ihr Destruktionsverfahren gewann damit einen neuen Charakter. »Ich folge halt einem kompositorischen Verfahren, das mit Lautverschiebungen und -vertauschungen arbeitet
 Eine Kollegin hat seinerzeit aus AussprĂŒchen von Kurt 475 Jelinek, Die Ausgesperrten, S.  35. 476 Vgl. Janz, Elfriede Jelinek, S.  40  fff. 477 Vgl. ebd., S.  44  f. 478 Scheidl, Ein Land auf dem rechten Weg, S.  146. 479 Vgl. Janz, Elfriede Jelinek, S.  46  f. 480 Jelinek, Die Ausgesperrten, S.  109. 481 Ebd., S.  30. 87 Poetologische EinfĂŒhrung  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : AnnĂ€herung an eine »synthetische KĂŒnstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂŒhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks Àsthetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur IntertextualitÀt 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂŒmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 InterdisziplinÀre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 PrimÀrliteratur 300
      2. 6.1.2 SekundÀr- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-BeitrÀge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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