Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 87 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 87 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung

Bild der Seite - 87 -

Bild der Seite - 87 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung

Text der Seite - 87 -

und nicht die Arbeit«475  – eine Anspielung auf den euphemistischen Schriftzug »Arbeit macht frei«, der über den Eingangstoren verschiedener nationalsozialis- tischer Konzentrationslager prangte (darunter Auschwitz, Groß-Rosen, Theres- ienstadt). Da es ihnen jedoch rein um den sozialen Aufstieg, nicht wirklich um Bildung geht, ist diese Vorstellung zum Scheitern verurteilt.476 Jelineks Figuren sind  – im Gegensatz zu den Figuren des bürgerlichen Entwicklungsromans, der hier karikiert wird  – nicht entwicklungsfähig.477 Durch die unnahbare bürger- liche Tochter SOPHIE, die RAINER und HANS bloß benutzt und am Ende die Überlegene bleibt, während RAINER im dramatischen Finale des Buchs seine Familie »hinmetzelt«478, bleiben sie aus der Klasse, die sie erreichen wollen, »ausgesperrt«  – wiederum ein Verweis auf Sartre : Dessen Theaterstück »Die Eingeschlossenen« von 1959 spielt wie Jelineks Roman in den 1950er Jahren. Beide Texte handeln von der Verstrickung zweier Generationen in den Faschis- mus, und in beiden sind die Figurenkonstellationen Vater/Sohn sowie Bruder/ Schwester zentral.479 Das ganze Setting von Jelineks »Ausgesperrten« ist überflutet von dem über- wunden geglaubten Nazismus, der trotz Besatzung und Entnazifizierung nicht von der Bildfläche verschwunden ist : Nach dem Abzug der Besatzungstrup- pen treten »die neuen Nazis sowie die guten alten … wieder zutage … wie die Blümelein in ihren grauen Nistkästen«480. Die Opfer der Vernichtung, die »Er- schlagenen, Gehenkten, Vergasten, Erschossenen, Goldzahnausgebrochenen«481, begleiten das Plot des Romans von Anfang bis Ende. Wiederum stellt sich der Faschismus als gesellschaftliches Kontinuum dar, der Nationalsozialismus hin- gegen als eine seiner möglichen Äußerungsformen, nicht als singuläres Ereignis, wenn auch der Holocaust als einzigartig gelten muss. Zu Beginn der 1980er Jahre begann Jelinek verstärkt am Wortmaterial direkt zu arbeiten und Wörter, Phrasen und idiomatische Wendungen zu deformieren, um die Gewalt an der Sprache, also deren Manipulation und ideologische Ver- einnahmung, noch deutlicher vorzuführen und damit deren Mythenhaftigkeit zu entlarven. Ihr Destruktionsverfahren gewann damit einen neuen Charakter. »Ich folge halt einem kompositorischen Verfahren, das mit Lautverschiebungen und -vertauschungen arbeitet… Eine Kollegin hat seinerzeit aus Aussprüchen von Kurt 475 Jelinek, Die Ausgesperrten, S.  35. 476 Vgl. Janz, Elfriede Jelinek, S.  40  fff. 477 Vgl. ebd., S.  44  f. 478 Scheidl, Ein Land auf dem rechten Weg, S.  146. 479 Vgl. Janz, Elfriede Jelinek, S.  46  f. 480 Jelinek, Die Ausgesperrten, S.  109. 481 Ebd., S.  30. 87 Poetologische Einführung  |
zurück zum  Buch Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung"
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek