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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Held aus dem Gefängnis zurückkehrt, wird der Zwerg zur politischen Reha- bilitierung der Familie nicht mehr gebraucht : »… Hamma nimmer notwendich das Zwergerl. Samma söba Verfulgte. Jawull !«42 Die zunehmend entrückte und in Panik geratende Käthe unternimmt indes mehrere Bühnen-Selbstmorde und sinkt schließlich im Kreis der Familie blutend und ersterbend zusammen. Um sie herum versammeln sich alle Familienmitglieder43 und deklamieren im Chor eine Textfläche, von Jelinek als »Wortsymphonie«44 bezeichnet, die vor allem aus (sinnverzerrten) Ein- und Zweiwortsätzen besteht, in denen natio- nale Kulturgüter à la Mozart und Schanigarten herbeizitiert, deren Bedeutun- gen jedoch verfremdet und ins Lächerliche gezogen oder mit dem Nazismus in Zusammenhang gebracht werden. Schließlich tanzen alle Anwesenden um die am Boden liegende Käthe herum und singen eine fröhliche Passage aus Zellers »Vogelhändler«, mit der Istvan auch das Spiel eröffnet hatte : »Grieß enk Gott alle miteinander, alle miteinander, alle miteinander, alle miteinander…«45. In diesem verbalen und menschlichen Chaos endet das Stück. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« »Die Figuren sprechen nicht aus sich heraus. Sie sind keine Personen, keine Menschen, sondern Sprachschablonen. Sie konstituieren sich aus dem, was sie sagen, nicht aus dem, was sie sind.«46 Wie in der poetologischen Einführung bereits festgehalten, verfasst Jelinek prinzipiell keine erzählende Literatur mit sich entwickelnden, zur Identifika- tion einladenden Charakteren. Ihre dramatischen Texte sind vor allem durch die Austauschbarkeit der agierenden Figuren gekennzeichnet, die in erster Linie als Sprachträger Bedeutung haben und nicht als Individuen dargestellt sind. Dies ist eine dramaturgische Besonderheit, die schon in Jelineks frühen Theaterstü- cken (von »Nora«, 1977, bis »Totenauberg«, 1991) angelegt war, sich in den späteren Texten aber noch weitaus verstärkte. Seit Beginn der 1990er Jahre stei- 42 BT, S.  180. 43 Die Regieanweisung lautet : »Alle stehen jetzt um die blutende Käthe herum.« (BT, S.  188)  – wobei »alle« nicht näher definiert ist : alle Figuren des Stücks oder (vermutlich) alle zur Familie gehörende Figuren. 44 BT, S.  188. 45 BT, S.  131 (am Beginn ; ISTVAN) und S.  189 (am Ende, alle). 46 Jelinek, Ich will kein Theater, S.  143. 115 »Burg theater«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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