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1.1 Inhalte und Ziele
»Wie immer man zu Jelineks politischer
Situierung stehen mag : ohne sie zur Kenntnis zu
nehmen … ist ihr Werk mißverstanden.«2
Das Sekundärwerk zu Elfriede Jelineks Œuvre ist umfassend – jedoch mangelt
es auch Jahre nach der Verleihung des Nobelpreises immer noch an schlĂĽssi-
gen Lektüre- und Interpretationsansätzen. Es gilt daher, neue interdisziplinäre
Herangehensweisen zu entwickeln, die plausible Zusammenhänge erschließen
und damit die intertextuellen, semantisch heterogenen Texte Jelineks fĂĽr eine
gewillte Leserschaft zugänglich machen.
Innerhalb des Feuilletons ist Jelineks Werk – dem Nobelpreis zum Trotz –
immer noch umstritten.3 Die durch den Preis erreichte Aufmerksamkeit be-
wirkte zwar eine auĂźerordentliche Differenzierung und Internationalisierung
des Forschungsdiskurses. Bemerkenswert daran ist aber, dass Jelineks intensive
Auseinandersetzung mit dem österreichischen Opfermythos, einem wirkungs-
mächtigen Geschichtsbild der Zweiten Republik, in diesem umfangreichen und
avancierten Sekundärwerk immer noch sehr häufig entweder unpräzise unter
den Begriff »Faschismuskritik« subsumiert oder die Opferthese per se mit »Ver-
gangenheitsverdrängung« verwechselt wird, was auf mangelnde historische Sen-
sibilität hinweist.
Mitunter wird sogar zwischen der Person und der Autorin Jelinek unterschie-
den : Gerade dass sie eine politisch engagierte Frau sei, habe sie davor bewahrt,
»eine politische Schriftstellerin sein zu müssen«, schreiben etwa die Verfasser
des bislang einzigen deutschsprachigen Autorinnenporträts :
»Als Schriftstellerin nimmt sie sich das Recht auf Kunst, als öffentliche Person das
Recht auf entschiedene Auffassungen.«4
Das Porträt stellt en bloc eine unbedingt empfehlenswerte Lektüre dar, wenn
auch die genannte Behauptung von Verena Mayer und Roland Koberg als un-
zutreffend bezeichnet werden muss, denn der ideologische Standpunkt Jelineks,
der vom Geist der 1968er-Bewegung und der marxistischen Gesellschaftskri-
tik durchdrungen ist, hat in entscheidendem MaĂźe deren literarisches Werk
2 Janz, Elfriede Jelinek, S. VIII.
3 Vgl. Lücke, Elfriede Jelinek, S. 7.
4 Mayer/Koberg, Ein Porträt, S. 9.
12 | Einleitung
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. ResĂĽmee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319