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4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
»Das Fragen aber findet kein Ende.
Darum bleibt die Wissenschaft nicht stehen …
Das letzte Wort ist niemals gesprochen.«2
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, eine neue, interdisziplinäre Herangehens-
weise zu finden, mit der die hoch artifiziellen, semantisch heterogenen Texte
von Elfriede Jelinek zugänglicher gemacht werden können. Zwei wesentlichen
Komponenten galt es dabei Rechnung zu tragen : zum einen der unĂĽbersehba-
ren inhaltlichen Aufladung der Texte mit historisch-politischen Themen ; zum
anderen deren ästhetischer Realisierung, die über die explizite Thematisierung
hinaus vor allem auf einer intertextuellen, metasprachlichen Ebene stattfindet.
Im Rahmen der EinfĂĽhrung wurde festgestellt, dass innerhalb des umfangreichen
Sekundärwerks zu Elfriede Jelinek interessanterweise immer noch kaum schlüssige
Interdependenzen zwischen dem sprachkritischen Verfahren der Autorin und einem
ihrer wichtigsten Themen hergestellt werden : ihrer ĂĽber die Jahre hinweg kontinu-
ierlich gepflogenen Kritik am österreichischen Opfermythos. Vor allem an plau-
siblen Interpretationsvorschlägen herrscht in dieser Hinsicht (dem Nobelpreis und
der dadurch entstandenen Aufmerksamkeit zum Trotz) immer noch groĂźer Mangel.
Weiters wurde festgestellt, dass mitunter sogar zwischen der Person und der Schrift-
stellerin Jelinek unterschieden wird – eine Differenzierung, die die Autorin selbst
ablehnt : Das politische Engagement sei Teil ihrer Literatur, so Jelinek.3
Als grundlegendes ästhetisches Verfahren Elfriede Jelineks wurde die »Dest-
ruktion« vorgefundenen Sprachmaterials aus verschiedenen Zusammenhängen
erkannt : Die orthografische, syntaktische, semantische und/oder phonetische
Verfremdung bestehender Sprachgebrauchsformen soll deren konventionelle
Bedeutung in Frage stellen, um auf diese Weise die KĂĽnstlichkeit und Verlogen-
heit gesellschaftlicher, politischer oder medialer Diskurse im satirischen Sinne
zu entlarven.
Um dieses Verfahren in Zusammenhang mit dem Thema der vorliegenden
Arbeit anschaulich machen zu können, war es zunächst notwendig, die grundle-
genden Begriffe zu diskutieren, mit denen im empirischen Teil gearbeitet werden
sollte. Weiters sollte mit der vorliegenden Begriffsdiskussion eine Sensibilisie-
rung fĂĽr bestimmte AusdrĂĽcke erreicht werden, die von der Jelinek-Forschung
gerne und häufig – offenbar jedoch ohne einschlägige Vorkenntnisse – aus der
Zeithistorie entlehnt werden.
2 Sellin, Geschichtswissenschaft, S. 81.
3 Vgl. Jelinek, zitiert nach : profil, Nr. 42, 2004, S. 124.
280 | ResĂĽmee
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. ResĂĽmee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319