Seite - 155 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Bild der Seite - 155 -
Text der Seite - 155 -
tionsverständnis nur eingeschränkt möglich. Dem deutschen Premierenpubli-
kum in Bonn waren die österreichbezogenen Assoziationsfelder unverständlich :
»Das Publikum nahm’s als Exotikum, als österreichische Hetz«263 – was nicht
unbedingt Sinn und Ziel der Jelinek’schen Sprachparodie ist. Die Frage, warum
»Burg theater« noch nie an einer großen österreichischen Bühne gezeigt wurde,
soll im folgenden Kapitel untersucht werden.
3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal
»Der ›Burg theater‹-Skandal begründet in
Österreich Jelineks Ruf als ›Nestbeschmutzerin‹.
Jelinek sperrt in der Folge das Stück für
Österreich.«264
Um Jelineks »Burg theater« rankt sich in der Tat eine bemerkenswerte Rezep-
tionsgeschichte. 1982 wurde der Theatertext erstmals in den »manuskripten«
veröffentlicht, jedoch ohne das »Allegorische Zwischenspiel«, das Jelinek erst
nachträglich einfügte. Der Text erregte zunächst keine Aufmerksamkeit, das
Feuilleton ignorierte das Stück weitestgehend, vermutlich weil die dargestellten
Figuren zunächst nicht in Zusammenhang mit den Wessely/Hörbigers gebracht
wurden.265
Die Rezeptionsgeschichte des Stücks sei eine »Nichtaufführungsgeschichte«,
so Holchholdinger-Reiterer.266 Im Rahmen des »steirischen herbstes« sollte
»Burg theater« in Graz erstmals gespielt werden. Doch Jelinek selbst prophe-
zeite :
»›Burg theater‹ hat überhaupt keine Chance, aufgeführt zu werden. Ich glaube auch
nicht daran, dass es jetzt aufgeführt wird, wo sich einige westdeutsche Theater dafür
interessieren, und wenn, dann in kleinstem Rahmen.«267
Erstmals aufgeführt wurde das Stück tatsächlich am 10. November 1985 in der
Werkstattbühne Bonn, nicht im Rahmen des »steirischen herbstes« und auch
sonst nicht in Österreich. In Bonn führte Horst Zankl Regie, die Protagonisten
263 Ebd., S. 221.
264 Janke, Nestbeschmutzerin, S. 171. Vgl. dazu auch Fiddlers Ausführungen zu Jelinek als
»desecrator«, Demythologising the Austrian »Heimat«, S. 25–44.
265 Vgl. Steiner, Die verdrängten Jahre, S. 177.
266 Vgl. Hochholdinger-Reiterer, Amok, S. 44.
267 Interview mit Jelinek, zitiert nach : Palm, Burgtheater, S. 229. 155
»Burg
theater« |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319