Seite - 247 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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immer noch kein hinreichendes Unrechtsbewusstsein, was an der unzulÀngli-
chen Sprachverwendung ĂŒber den Holocaust abgelesen werden kann. Aber auch
»wenn einer die Schuld nicht mehr aushÀlt«, denn das sei ja »normal«838 : Es ist
geschehen, es muss zur Kenntnis genommen und es muss in dieser Deutlichkeit
ausgesprochen werden. Die »Bilanz ĂŒber Schuld und Unschuld«839, die in »Die
Kinder der Toten« gezogen wird, ist eindeutig.
Kann Jelineks Opus Magnum also tatsĂ€chlich als »gigantisches LeerstĂŒck«840
bezeichnet werden, wie die Rezensentin Iris Radisch behauptet ? Nein, mit Si-
cherheit nicht. Aber der Text setzt »ein Wissen voraus, dessen VerdrÀngung er
behauptet«841. Das Wissen um zeithistorische ZusammenhÀnge und die Kom-
petenz, dieses auch in den LektĂŒrevorgang miteinzubeziehen, sind Grundvo-
raussetzungen fĂŒr ein positives Leseerlebnis (»Tell all the Truth â / but tell it
slant/ Success in Circuit liesâŠÂ«842). Der Ruf der Unlesbarkeit tut dem Roman
also unrecht, auch wenn er in der Tat »verdammt schwer«843 zu bewÀltigen ist.
Was am Ende bleibt, ist das Unheimliche â das Damoklesschwert der Schuld
und der in Aussicht gestellten SĂŒhne.
3.3 »Das Lebewohl«
»Ein MeisterstĂŒck literarischer Rhetorik âŠÂ«844
3.3.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur
»Der Theatermonolog âșDas Lebewohlâč
zeigt deutlich, warum Elfriede Jelinek den
Freiheitlichen ein Dorn im Auge ist.«845
Jelineks kleines Drama »Das Lebewohl« ist bis dato ein weitgehend unbeacker-
tes Feld literaturwissenschaftlicher Auseinandersetzung. Dabei ist der Text, wie
Wendelin Schmidt-Dengler bemerkte, ein »MeisterstĂŒck literarischer Rheto-
838 KDT, S. 457.
839 Kastberger, Endspiele, unpaginiert.
840 Radisch, Maxima Moralia, unpaginiert.
841 Pontzen, PietÀtlose Rezeption, S. 64.
842 Dickinson, Gedichte, S. 410. Vgl. das lyrische Motto dieser Studie.
843 Löffler, Am Eingang zur Unterwelt, unpaginiert.
844 Wendelin Schmidt-Dengler ĂŒber »Das Lebewohl« ; zitiert nach : profil, Nr. 42, 2004, S. 128.
845 Zauner, Das Lebewohl, unpaginiert. 247
»Das Lebewohl«â |
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die groĂe Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. ResĂŒmee 279
- 5. Epilog â Wir warenâs nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319