Seite - 16 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Bild der Seite - 16 -
Text der Seite - 16 -
Diese Auswahl wurde getroffen, weil es für die genannten Texte zum einen
bis dato nur wenige schlüssige Interpretationsansätze gibt, zum anderen weil
sie auf unterschiedliche Art und Weise die Destruktion des Opfermythos in ihr
Zentrum stellen, sowohl ex- als auch implizit.
Das Innovative an diesem Projekt ist die Einbeziehung zeitgeschichtlicher
Theorien : Faschismus- und Opfermythostheorien werden in die Textinterpre-
tation integriert, um auf diese Weise zu neuen Deutungsmöglichkeiten zu ge-
langen. Darüber hinaus soll über die interdisziplinäre Beschäftigung mit den
Beispieltexten eine Brücke zur geschichtswissenschaftlichen Forschungspraxis
geschlagen werden, denn die Annäherung an historisch-politische Themen
kann, wie im Folgenden gezeigt werden soll, auch über die Literatur führen.
1.2 Forschungsstand
»… diese eingrenzende und verdinglichte Form
des Umgangs mit dem Faschismus … ist genau
das, was Jelineks Schreibweise zu kritisieren und
zu destruieren versucht.«17
Offensichtlich war eine Intervention aus Schweden notwendig, um die deutsch-
sprachige Jelinek-Forschung aus ihrem Dornröschen-Schlaf aufzuschrecken.
Zwar herrschte schon in den 1990er Jahren an Bildmaterial, Feuilletonkommen-
taren und Interviews kein Mangel : Der Stand der Publikationen füllte nicht nur
»Karteikästchen fleißiger Dissertantinnen«18, sondern auch bereits drei Sammel-
bände. Wer allerdings nach wissenschaftlichen Analysen oder gar plausiblen In-
terpretationsvorschlägen suchte, der fand einen recht überschaubaren Bestand vor.
Zu Recht beklagte Marlies Janz 1995, dass von einer Jelinek-Forschung »noch
keine Rede« sein könne und kritisierte das bestehende Sekundärwerk als einsei-
tig und tendenziös : Jelineks Werk werde bedenkenlos vereinnahmt für »unver-
bindliche kulturkritische Räsonnements, für einen vermeintlich postmodernen
Budenzauber sowie für pseudo-feministische Positionen, die auf das ›Frausein‹
als vermeintlich privilegierten Status des ›Unterdrücktseins‹ rekurrieren zu kön-
nen glauben«. Seinen Grund habe das vermutlich in der »anhaltenden Verken-
nung Jelineks als politischer Autorin«. Jelineks Faschismuskritik werde von der
Forschung noch nachhaltiger verdrängt als deren marxistische Analysen.19
17 Janz, »Die Geschichte hat sich nach 45 entschlossen«, S. 238.
18 Doll, Mythos, Natur und Geschichte bei Elfriede Jelinek, S. 9.
19 Vgl. Janz, Elfriede Jelinek, S. VII ff.
16 | Einleitung
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319