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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt«416 »Diese falsche und verlogene Unschuldigkeit Österreichs ist wirklich immer mein Thema gewesen, eigentlich in allen meinen Sachen. Ja, ich würde sagen, das ist mein Angelpunkt.«417 Wenn die germanistische »Quasi-These«418 stimmt, dass jeder Dichter nur ein großes Thema hat, das er in seinem gesamten Werk immer neu variiert und in immer neuen Verfahren durchspielt, dann ist schnell klar, welches Thema El- friede Jelinek immer wieder aufs Neue an den Schreibtisch treibt. Das Schick- sal der Vater-Familie mag die beständige Konfrontation mit Faschismus und Opfermythos bedingt haben. Bereits in ihrer frühesten Kindheit habe sie die jüdische Familie des Vaters auf das »Nie wieder !« eingeschworen, so Jelinek in einem Interview, was bei ihr in »rasende Rache- und Wutfantasien«419 umge- schlagen sei. Dabei begreift Jelinek den Nationalsozialismus nicht als singuläres histori- sches Ereignis, sondern sieht ihn vielmehr  – aus dem Blickwinkel einer dekla- rierten Marxistin  – als gewaltsame Eskalation einer allgemeinen, überzeitlichen Tendenz zur Herstellung ungleicher Besitz- und Gewaltverhältnisse innerhalb der Gesellschaft (etwa zwischen den sozialen Klassen, den Geschlechtern, den In- und Ausländern, den Generationen, in der NS-Zeit zwischen »Ariern« und »Nicht-Ariern«), die in der nationalsozialistischen »Rassenlehre« biologistische Begründung und mit zahlreichen Strategien der »Verdummung« und Manipu- lation im Alltagsleben der deutschen und österreichischen Bevölkerung ihren Niederschlag fanden. Unaufhörlich hebt sie die historische Singularität des Holocaust hervor ; doch mit ständigen Verweisen auf die Kontinuitäten des faschistischen Phänomens wendet sich Jelinek eindeutig gegen Ernst Noltes Charakterisierung vom »Epochencharakter«420 des Faschismus, die auch von der Zeithistorie längst verworfen wurde. Sie wolle, so Jelinek, in ihren Texten einen Faschismus beschreiben, der in der Familie, in der Beziehung zwischen Mann und Frau beginne, und Faschismus als »allgemeinen Gemütszustand«421 auf- decken. Dabei charakterisiert dieser »allgemeine Gemütszustand« die Haltung 416 Jelinek, zitiert nach : Janke/Kovacs/Schenkermayr, »Die endlose Unschuldigkeit«, S.  21  f. 417 Ebd. 418 Lücke, Elfriede Jelinek, S.  7. 419 Jelinek, zitiert nach : Nüchtern, »Ich bin ein Racheengerl«, Falter 14/03. 420 Nolte, Der Faschismus in seiner Epoche, S.  25. Vgl. auch Kapitel  1.4.1 dieser Studie. 421 Jelinek, zitiert nach : Sander, Textherstellungsverfahren bei Elfriede Jelinek, S.  31. 79 Poetologische Einführung  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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