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Als Literatur zur »Wende« soll hier auf Michael Fleischhackers Essay »Wien,
4. Februar 2000 oder Die Wende zur Hysterie«864 verwiesen werden, außerdem
auf Gerfried Sperls Publikation »Der Machtwechsel«865 : eine detaillierte und
kommentierte Zusammenfassung der Ereignisse rund um den Regierungswech-
sel 1999/2000.
Des Weiteren wurde vor allem Haiders News-Artikel »Glücksgefühl nach
bangen Stunden«866 für die vorliegende Interpretation herangezogen. Für »Das
Lebewohl« hat Jelinek daraus viele Textpassagen paraphrasiert oder sogar wört-
lich übernommen, wie in der Textanalyse gezeigt werden wird.
Auch auf Aischylos’ »Orestie«867 muss an dieser Stelle verwiesen werden :
Aus der antiken Dramentrilogie hat Jelinek vor allem das Pathos der Rede so-
wie (in abgewandelter Weise) den Orest’schen Muttermord entlehnt (den Orest
beging, um den Vater zu rächen, wovon hier noch die Rede sein wird).
Beide Texte wurden von der Autorin explizit als Referenzliteratur angegeben.
3.3.2 Formales, Setting und Plot
»Ich muss jetzt in mein Bundesland
zurückfahren. Doch erzählt, daß ihr mich
saht.«868
»Das Lebewohl (Les Adieux)« ist ein 26 Seiten umfassender, absatzloser The-
atertext, ein Monolog der Hauptfigur mit dem unspektakulären Namen der
Sprecher. In Rezensionen wird dieser Theatermonolog aufgrund seiner Kürze
gerne auch als »Dramolett« bezeichnet. Das Besondere an ihm ist, dass er un-
verhohlen einer real existierenden Person in den Mund gelegt ist : Jörg Haider.
Bereits in der Regieanweisung ist festgehalten, in welcher Weise der Sprecher
des »Haidermonologs«869 von ihn umringenden Knaben betrachtet werden soll.
Jelinek verfasste »Das Lebewohl« im Jahr 2000 als Reaktion auf den Rück-
tritt Jörg Haiders als FPÖ-Parteiobmann und seinen vorübergehenden Rückzug
aus der Bundes- in die Landespolitik Kärntens. Der Text sei keine politische
Stellungnahme, betonte die Autorin in einem Interview mit der Tageszeitung
864 Fleischhacker, Die Wende zur Hysterie.
865 Sperl, Der Machtwechsel.
866 Haider, Glücksgefühl nach bangen Stunden, S. 30 f.
867 Aischylos, Die Orestie. In dieser Übersetzung von Walter Jens sind die drei Teile des Dramas
folgendermaßen bezeichnet : »Agamemnon«, »Die Choephoren« und »Die Eumeniden«.
868 Jelinek, Das Lebewohl (im Folgenden abgekürzt mit LW), S. 11.
869 LW, S. 9.
250 | Lektüre- und Deutungsvorschläge
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319