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3.1 »Burg theater«
»… wenn sie in ›Heimkehr‹ sagt, ›Wir kaufen
nichts bei Juden‹,
hätte sie als erwachsener Mensch wissen
müssen, was sie da sagt.«2
3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur
»Endlich weiß man wieder, warum es auch
professionelle Theaterkritiker geben muß !«3
Zu Jelineks »Burg theater«-Stück sind vor allem feuilletonistische Reaktionen
auf die Erstaufführung 1985 in Bonn vorhanden, die sich allerdings weniger
mit dem Text an sich befassen, sondern vielmehr mit dem Skandalon, dass sich
Jelinek ausgerechnet die Wiener Burg theater- und Heimatfilmikonen Paula
Wessely sowie Attila und Paul Hörbiger ausgeborgt hatte, um Künstler für ihre
Kollaboration mit dem NS-Regime zu kritisieren. In einem viel zitierten Leit-
artikel sprach sich der damalige Chefredakteur des Wochenmagazins »profil«,
Peter Michael Lingens, – in Verkennung der eigentlichen Textaussage – vehe-
ment gegen Jelineks Stück aus, eben weil die Autorin darin besagte Realperso-
nen attackiere.4 Lingens löste mit seinem Artikel eine Welle von Leserbriefen
und weiteren Stellungnahmen aus, die in der Regel die Wessely/Hörbigers in
Schutz nahmen und Jelinek als Autorin diskreditierten. Demgegenüber stand
(übrigens in derselben profil-Ausgabe) ein weitaus differenzierterer Artikel der
Literaturkritikerin Sigrid Löffler, die eine ausführliche Dokumentation der Ge-
samtproblematik darbrachte und den von Jelinek intendierten Bezug zum histo-
rischen Rahmen herstellte.5 Löfflers Darstellung fand jedoch ungleich weniger
Widerhall als Lingens’ Leitartikel. Bereits eine Woche zuvor war eine kurze
Rezension von Löffler zu der Premiere des Stücks in Bonn erschienen.6 Der
österreichische Publizist und Literaturkritiker Ulrich Weinzierl, damals für die
Frankfurter Allgemeine Zeitung tätig, veröffentlichte im November desselben
2 Jelinek über Paula Wessely, zitiert nach : http://www.elfriedejelinek.com (Link : »Paula Wes-
sely«) (Zugriff am 20.11.2007).
3 Weinzierl, Sauberes Theater, S. 224.
4 Lingens, Wieweit verdient Paula Wessely Elfriede Jelinek, S. 16.
5 Löffler, Was habe ich gewußt, S. 88–95.
6 Dies., »Erhalte Gott dir deinen Ludersinn«, S. 218–222.
108 | Lektüre- und Deutungsvorschläge
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319