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Die Widersprüche, die sich durch das Zusammen- und Ineinanderschneiden
verschiedener intertextueller Ebenen ergeben, fordern Jelineks Rezipienten zur
kritischen Reflexion heraus. Am Ende ist dies Sinn und Ziel der Destrukti-
onsmethode : den Konstruktionscharakter gesellschaftlicher Diskurse zu of-
fenbaren. Zu diesem Zwecke kann es hilfreich sein, Rückbezüge zu Prätexten
von David R. L. Litchfield, Jörg Haider oder Martin Heidegger herstellen zu
können ; notwendig ist es jedoch nicht. In diesem Sinne muss Fliedl beige-
pflichtet werden.
Es scheint sich daher eine modifizierte Anwendung der Intertextualität als
Methode anzubieten, in der evidenten oder markierten intertextuellen Bezügen
zwar nachgegangen wird, weil sie das Textverständnis erhellen und erleichtern
können, in der diese Bezüge aber nicht auf Biegen und Brechen hergestellt wer-
den müssen, weil es durchaus als von der Autorin intendiert begriffen werden
kann, dem assoziativen Rezeptionsverständnis zu folgen.
2.2 Darstellung der angewandten Methodik
»Gehalt ohne Methode führt zur Schwärmerei,
Methode ohne Gehalt zum leeren Klügeln…«38
Aufbauend auf den bisher geleisteten theoretischen Vorarbeiten sollen nun im
empirischen Teil drei exemplarische Textinterpretationen vorgenommen wer-
den, welche die in der Einleitung angeführten Theorien von Faschismus und
Opfermythos integrieren, um auf diese Weise einen plausiblen Lektüre- und
Deutungsvorschlag anbieten zu können.
Hierfür werden in einem ersten Schritt die allgemeinen Rahmenbedingun-
gen des jeweiligen Beispieltextes (Setting, Plot, Figuren, dramaturgische und
formale Besonderheiten etc.) festgestellt. Außerdem wird auf bisherige Inter-
pretationsansätze verwiesen, die vorwiegend aus der deutschsprachigen Litera-
tur- und Theaterwissenschaft, aber zum Teil auch aus dem Feuilleton stammen.
In einem zweiten Schritt werden wahrscheinliche oder ausgewiesene (mar-
kierte) Intertexte herausgearbeitet und deren zeitgeschichtlicher Verwei-
scharakter deutlich gemacht, indem darin enthaltene Überschneidungen mit
aktuellen oder bereits überholten Faschismus-, Nationalsozialismus- und Op-
fermythostheorien bewusst gemacht werden. Daneben werden relevante Sekun-
därtexte, soweit vorhanden, aufgegriffen und die darin angebotenen Deutungs-
möglichkeiten in die Analyse miteinbezogen.
38 Goethe, Maximen und Reflexionen, S. 1174. 105
Darstellung der angewandten Methodik |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319