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können, wie authentisch oder »synthetisch« die Lebensgeschichte der Nobelpreis-
trägerin ist oder nicht ist.333 Ironie und Witz, die Jelinek sich selbst zuschreibt,
müssen auch im Falle der Autorinnenbiografie stets mitgedacht werden.
1.6 Poetologische Einführung
»Ihre ideologische wie ästhetische Position
ist geprägt vom Geist der sechziger Jahre,
vom Marxismus, von der Kritischen Theorie
der Frankfurter Schule, insbesondere Th. W.
Adornos, und vom frühen Roland Barthes.«334
Spätestens seit der Auszeichnung mit dem Nobelpreis ist Elfriede Jelinek zu
einer »postmodernen Klassikerin«335 geworden. Der Schreibstil der Nobelpreis-
trägerin zeichnet sich vor allem durch seinen innovativen Charakter aus, der
sowohl in der Tradition der Moderne steht als auch Theorien der Postmoderne
integriert. Von Anfang an hat Jelinek mit neuen Formen und mit Sprache expe-
rimentiert, »im Sinne einer Avantgarde der Avantgarde«336. Die Einflüsse, die
auf die Entwicklung ihrer spezifischen Sprachästhetik und deren im Laufe der
Jahre vorgenommene Modifikation eingewirkt haben, sind dabei vielfältig. Ei-
nige besonders prägende lassen sich dennoch konkret festmachen und sollen im
Folgenden kurz dargestellt werden.
1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens«
»Jelineks Werk steht im Zeichen der Abwendung
von einer narrativen Tradition, die stark
inhaltszentriert ist … und die Literatur als
›realistische‹ Abbildung der ›Wirklichkeit‹
versteht …«337
Als Elfriede Jelinek in den 1960er Jahren ihre ersten Texte verfasste, tat sie dies
unter dem Eindruck des Aufbegehrens einer jungen Generation, welche sich
333 Vgl. etwa Meyer, Sturm und Zwang ; vgl. Fuchs, »Man steigt vorne hinein…« ; vgl. Müller, Ich
bin die Liebesmüllabfuhr ; vgl. Friedl, Die Tiefe der Tinte ; vgl. Winter, Gespräch mit Elfriede
Jelinek ; u. a.
334 Gürtler, Gegen den schönen Schein, S. 7.
335 Steinkellner, Traditionen der Moderne, S. 3.
336 Lücke, Elfriede Jelinek, S. 9 f.
337 Ebd., S. 8. 67
Poetologische Einführung |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319