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Jahres einen Artikel, in dem er auf die ZusammenhÀnge dieses Theaterskan-
dals mit der österreichischen Opferthese aufmerksam machte und der daher an
dieser Stelle â obwohl sich Weinzierl auch wieder nicht mit dem Text an sich,
sondern nur mit dessen Rezeption befassteÂ
â besondere ErwĂ€hnung finden soll.7
Pia Janke hat in ihrer Dokumentation »Die Nestbeschmutzerin« die wich-
tigsten Positionen zu der Rezeptionsdebatte gesammelt und einander gegen-
ĂŒbergestellt.8
Bemerkenswert ist, dass Jelineks »Burg theater«-StĂŒck, das 1985 fĂŒr einen
wahren »Pressekrieg«9 sorgte, von den österreichischen Kulturredaktionen jah-
relang ignoriert worden war, denn das StĂŒck war bereits 1982 in den »manu-
skripten« erschienen â ohne nennenswertes Echo. Der Grund dafĂŒr mag darin
liegen, dass sowohl die Sprache des StĂŒcks als auch die darin zahllos enthaltenen
historischen Anspielungen eine Vertrautheit mit der Wiener Kultur und Kul-
turszene voraussetzten, die in vielen FĂ€llen nicht gegeben war.10 Der eigentlich
vorprogrammierte Skandal war also zunÀchst ausgeblieben. Zu den wenigen
Besprechungen dieser Zeit zÀhlen ein kurzer Text des Wiener Theaterwissen-
schafters Peter Roessler, »Vom Bau der Schweigemauer«11, sowie eine (ebenfalls
kurze) Rezension von oben bereits erwÀhnter Sigrid Löffler12. Abgesehen von
Roessler brachte zu diesem Zeitpunkt offenbar niemand das StĂŒck in Zusam-
menhang mit dem Schauspielerehepaar Wessely/Hörbiger, das 1982 noch am
Wiener Burg theater spielte. Attila Hörbigers Bruder Paul war bereits 1981 ver-
storben. Erst anlĂ€sslich der UrauffĂŒhrung in Bonn befasste sich das österreichi-
sche Feuilleton mit dem StĂŒck.13
Heute, ein Vierteljahrhundert spÀter, finden sich immer noch wenige wis-
senschaftliche Auseinandersetzungen im bibliografischen Bestand ; und wenn,
dann handelt es sich in der Regel um kurze, zehn- bis 15-seitige Texte oder
Buchkapitel.
So publizierte Marie-ThérÚse Kerschbaumer 1989 im Rahmen ihrer Aufsatz-
sammlung »FĂŒr mich hat Lesen etwas mit FlieĂen zu tun« eine circa zehnseitige
Besprechung von Jelineks »Burg theater«-Text.14 Darin versuchte Kerschbau-
mer â und leistete damit Pionierarbeit â die Kunstsprache des StĂŒcks anhand
einiger exemplarischer Textbeispiele zu untersuchen. Kerschbaumers Aufsatz
7 Weinzierl, Sauberes Theater, S. 222â225.
8 Vgl. Janke, Die Nestbeschmutzerin, S. 171â182.
9 Rathkolb, FĂŒhrertreu und gottbegnadet, S. 8.
10 Vgl. Janz, Elfriede Jelinek, S. 63.
11 Roessler, Vom Bau der Schweigemauer, S. 89.
12 Löffler, MajestÀtsbeleidigung, S. 54.
13 Vgl. Steiner, Die verdrÀngten Jahre, S. 177.
14 Kerschbaumer, Bemerkungen zu Elfriede Jelineks Burgtheater. S. 152â163. 109
»Burg
theater«â |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Title
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Subtitle
- Eine historiografische Untersuchung
- Author
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 328
- Keywords
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die groĂe Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. ResĂŒmee 279
- 5. Epilog â Wir warenâs nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319