Page - 117 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Image of the Page - 117 -
Text of the Page - 117 -
handeln die Kinder oder RESI. Durch die BrutalitÀt der Aktionsebene wird die
scheinbare Harmlosigkeit der Sprechebene destruiert.
KĂ€the, Istvan und Schorsch definieren sich vorrangig durch ihre charak-
teristischen Sprechweisen, die im Wesentlichen aus einem Sammelsurium ver-
fremdeter PrÀtexte bestehen und sich den »verÀnderten ZeitlÀuften«53 jeweils
anpassen wollen, einmal dem faschistischen, patriarchalen und hierarchisch
strukturierten NS-Regime und einmal dem bevorstehenden Niedergang eben
dieses Regimes bzw. der nahenden Entnazifizierung â was allerdings (in beiden
FĂ€llen) nicht konsequent gelingt. Die dabei entstehende Metaebene stellt somit
den eigentlichen Inhalt der Kommunikation dar. Die Interpretation des Texts
baut daher auf der Untersuchung der Sprechweisen und Wortwahl der Figuren
auf, um intertextuelle BezĂŒge herausfiltern und Parallelen zu den in der EinfĂŒh-
rung erlÀuterten Faschismus- und Mythostheorien herstellen zu können.
Die Hauptfiguren des StĂŒcks sind in allen drei Teilen KĂ€the, Istvan und
Schorsch. Im Allegorischen Zwischenspiel nimmt der Alpenkönig eine
wichtige Rolle ein, im dritten Teil des StĂŒcks der Burg theaterzwerg. Auch
die Figuren Resi und Mitzi gewinnen im dritten Teil an Bedeutung.
Innerhalb der Figuren ist eine deutliche Hierarchie feststellbar, die Schorsch
in die Rolle des Familienoberhauptes rĂŒckt und die beiden anderen Hauptfigu-
ren, KÀthe und Istvan, unter dessen AutoritÀt stellt. Weit abgeschlagen tau-
chen die ebenso in allen Teilen des StĂŒcks anwesenden Kinder, Mitzi, Mausi
und Putzi, auf, von denen die Àlteste, Mitzi, die wichtigste Rolle einnimmt,
die jĂŒngste, Putzi, könne auch von einer lebensgroĂen Stoffpuppe dargestellt
werden ;54 sie ist damit offensichtlich die »austauschbarste« aller Figuren. Resi,
die wie eine Dienstbotin behandelt wird, obwohl sie eine Schwester von Istvan
und Schorsch ist, tritt als unterstes Glied der Rangordnung innerhalb der Fa-
milie in Erscheinung.
Die vorĂŒbergehend auftretenden Figuren Alpenkönig und Burg theater-
zwerg erlangen vor allem durch die ĂŒber sie vermittelten Rezeptionsimpulse
Bedeutung. Obwohl sie keine Hauptfiguren des StĂŒcks sind, so haben sie doch
eine SchlĂŒsselfunktion inne. Auch fĂŒr sie gilt allerdings, dass sie nicht als Figu-
ren an sich Bedeutung haben, sondern vielmehr als SprachtrÀger.
53 BT, S. 132.
54 Vgl. BT, S. 130 (Regieanweisung). 117
»Burg
theater«â |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Title
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Subtitle
- Eine historiografische Untersuchung
- Author
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 328
- Keywords
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die groĂe Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. ResĂŒmee 279
- 5. Epilog â Wir warenâs nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319