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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Sehr oft bedient sich Schorsch der nationalsozialistischen Diktion, die von der Rassenlehre durchdrungen ist, indem er etwa zwischen Deutschen, »Juden«83 und »Ausländern«84 differenziert oder die Offenbarungen des neuen Deutschen Reichs beschwört : »unsr naiches Haus Daitschlond«85, nennt er es unter an- derem, »wo man frank und frei otmen konn«86  – ein glatter Widerspruch zum tatsächlichen Bespitzelungs- und Überwachungssystem des »Dritten Reichs«, der als poetisches Mittel Jelineks zur Destruktion nationalsozialistischer Vater- landsbeschwörungen interpretiert werden kann. »So glocht homma nimma seit dem Anschluß !« und »So gschrian homma nimma seit dem Heldenplotz !«87, brüllt Schorsch, während er und die beiden anderen Hauptfiguren den Al- penkönig zu Tode prügeln. In dieser Szene wird wiederum die Verherrlichung von Gewalt deutlich, mehr noch, der Spaß an Gewalt, der Spaß an der Unter- drückung anderer. Auf der anderen Seite steht der Wunsch, den »veränderten Zeitläuften«88 zu entsprechen. Der von Fromm beschriebene »autoritäre Cha- rakter« ist sadomasochistisch veranlagt : Er (Schorsch) bewundert gleicher- maßen die Autorität (das NS-Regime bzw. dessen Führungselite), wie er da- nach strebt, sich ihr zu unterwerfen.89 Die Unterwerfung unter die Autorität bedeutet zum einen die (willkürliche) Machtausübung über andere, schwächere Ketten des Glieds, die aus der selbst definierten Gruppeneinheit ausgeschlossen werden (Käthe, Istvan und Schorsch als »wir«, Resi, Alpenkönig und Burg theaterzwerg als die »anderen«), und zum anderen das Abgeben von Eigenverantwortung und Unrechtsbewusstsein : Die vom nationalsozialistischen »Rassenstaat«90 künstlich hergestellten Mechanismen von »Inklusion« und »Ex- klusion«91 werden hier in beeindruckender Weise vorgeführt. Sie rechtfertigten scheinbar die Anwendung von verbaler, aber auch physischer Gewalt gegen Ge- meinschaftsfremde (»Nicht-Arier«)  – ein Angebot, von dem die Hauptfiguren des Stücks reichlich Gebrauch machen. Tatsächlich waren es viele Künstler, die mit dem Deutschen Reich kolla- borierten, da sie von den Möglichkeiten, welche die Rassenpolitik des Regi- mes für sie bereithielt, persönlich (materiell und in Hinblick auf die berufliche Laufbahn) profitierten  – ein Thema, das etwa auch Klaus Mann in seinem »Me- 83 BT, S.  152. 84 BT, S.  145, S.  148. 85 BT, S.  144. 86 BT, S.  145. 87 BT, S.  147. 88 BT, S.  132. 89 Vgl. Kapitel  1.4.1 dieser Studie. 90 Wippermann, Hat es Faschismus überhaupt gegeben, S.  58. 91 Zum Begriffspaar »Inklusion/Exklusion« vgl. Kapitel  1.4.1 dieser Studie. 123 »Burg theater«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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