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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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»Dichter wie Hans Lebert verdient dieses Land der heiteren hiesigen Vergeßlichkeiten nicht. Und deshalb hat es einen wie ihn auch sehr gern und bereitwillig vergessen. Aber wo die bittere, sprachbesessene Wut eines Thomas Bernhard immer nur an der Au- ßenmauer entlangkratzt …, da entsteht bei Lebert der große Mythos einer für immer schuldig gewordenen Welt.«523 Lebert erhielt im darauffolgenden Jahr den Grillparzer-Preis und so erfuhren seine Werke eine späte Renaissance  – doch der von schwerer Krankheit bereits gezeichnete und in Zurückgezogenheit lebende Autor ertrug die späten Ehren mit »trotzigem Gleichmut«524. Mit »Die Kinder der Toten« hat Jelinek selbst einen Roman vorgelegt, der möglicherweise »eine literarische Variation, eine subjektive Fortschreibung der ›Wolfshaut‹«525 darstellt. Tatsächlich sind thematische Relationen zu Lebert schnell ausgemacht, denn »Die Wolfshaut« gilt als der »erste große Roman, der sich mit der österreichischen Verstrickung in Schuld«526 befasste. Weil dieser von »A bis Z durchkonstruiert[e]«527 und wegen seiner ungeheuren Sprachge- walt äußerst bemerkenswerte Roman seltsamerweise immer noch wenig be- kannt ist, auch in Österreich, sei hier dessen vielschichtige Handlung in aller Kürze zusammengefasst : Im Winter 1952/53 ereignen sich in einem österreichischen Bergdorf mit dem sprechenden Namen »Schweigen« mehrere mysteriöse Todesfälle, an deren Aufklärung die Dorfgemeinschaft bemerkenswert wenig Interesse zeigt. Nur zwei Außenseiter, ein heimgekehrter Matrose namens Johann Unfreund und ein Fotograf namens Maletta, der nach dem Krieg ins Dorf zugezogen ist, wollen verstehen, was in dem seltsamen Dorf vor sich geht. Die Entde- ckung, dass seinen Vater ein schreckliches Geheimnis in den Selbstmord ge- trieben hatte, bringt den Matrosen dazu, immer wieder neue Nachforschungen anzustellen. Die Begegnung mit einem entlaufenen, aber harmlosen Sträfling, der von Gendarmerie und Dorfgemeinschaft zu Unrecht für die grausige Er- mordung des gerade pensionierten Sägewerksmeisters Johann Schrecken- schlager verantwortlich gemacht und auf der Flucht erschossen wird, ver- stärkt sein Bedürfnis, das Geheimnis, das nicht nur seinen Vater in den Freitod getrieben hatte, sondern immer noch wie ein böser Fluch über dem ganzen 523 Ebd. 524 Ebd. 525 Gauß, Ein Haufen Fleisch, S.  5. 526 Mayer/Koberg, Ein Porträt, S.  203. 527 So Lebert selbst über die Kompositionstechniken des Romans, zitiert nach : Dobrick, »Bei dem zweiten habe ich nicht mehr gelacht«, S.  22  f. 198 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂĽhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂĽmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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