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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Jelinek »möge fĂŒr viele Millionen [Ermordete] stehen, er mag aber nicht.«618 Auch etwas spĂ€ter wird explizit auf die Ermordeten der Familie Friedrich Je- lineks verwiesen : »Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen. Aber allein aus dem Haus von meinem Vati sind mindestens 49  Österreicher verschwunden, die brauchen jetzt keine Wohnung mehr.«619 Von einer Cousine hatte Jelinek erfahren, dass 49  Familienmitglieder in der NS- Zeit ums Leben gekommen seien. Auf diese Information beruft sie sich offen- sichtlich in der zitierten Textpassage  – ob es tatsĂ€chlich genau 49  Verwandte waren, die im Zuge der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik zu Tode ka- men, ist dabei als sekundĂ€r zu betrachten, da hier alleine die von der Autorin be- wusst hergestellte Parallele zu der eigenen Familienbiografie von Interesse ist.620 In »Die Kinder der Toten« erwĂ€hnt Jelinek ĂŒberdies auch den »Muffelofen der Firma J.  A.  Topf  & Söhne«621 und benennt damit konkret einen Erfurter Industriebetrieb, der bereits in den 1920er Jahren Feuerungsanlagen in interna- tionalem Maßstab gefertigt hatte und in den 1930er Jahren zum »zuverlĂ€ssigen GeschĂ€ftspartner«622 der SS-Bauleitungen avancierte : Topf  & Söhne installier- ten in Auschwitz, Buchenwald und anderen Konzentrationslagern Feuerungs- anlagen fĂŒr die industrielle Vernichtung von menschlichen Körpern.623 Der An- trag, den die Firma im Jahr 1942 fĂŒr ihr Produkt beim Deutschen Patentamt einreichte, wurde mit folgenden Worten eingeleitet : »In den durch Krieg und seine Folgen bedingten Sammellagern der besetzten Ost- gebiete mit ihrer unvermeidbar hohen Sterblichkeit ist die Erdbestattung der großen Menge verstorbener Lagerinsassen nicht durchfĂŒhrbar.«624 Die Ingenieure von Topf  & Söhne wussten demnach, was in den Konzentrati- onslagern der Nationalsozialisten vor sich ging. Der zustĂ€ndige Chefingenieur 618 KDT, S.  333. 619 KDT, S.  459. 620 Vgl. Kapitel  1.5 dieser Studie. 621 KDT, S.  127  f. Zum Patentantrag selbst vgl. auch Horaczek/Wiese, Handbuch gegen Vorur- teile, S.  15, darin auch der Hinweis, dass das Deutsche Patentamt diesem Antrag »in makabrer Gedankenlosigkeit« mehrere Jahre nach Kriegsende stattgegeben hat, vgl. dies., S.  19 (End- note 13). 622 Assmann/Hiddemann/Schwarzenberger, Firma Topf  & Söhne, S.  7. 623 Vgl. ebd. 624 Schwarzenberger, Topf  & Söhne, S.  11. 211 »Die Kinder der Toten«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : AnnĂ€herung an eine »synthetische KĂŒnstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂŒhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks Àsthetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur IntertextualitÀt 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂŒmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 InterdisziplinÀre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 PrimÀrliteratur 300
      2. 6.1.2 SekundÀr- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-BeitrÀge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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