Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Page - 229 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 229 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung

Image of the Page - 229 -

Image of the Page - 229 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung

Text of the Page - 229 -

angekrochen und »heben drohend die Fäuste«723, »krallen sich«724 Fichten an Erdreste, atmet die Talsohle »laut und schwer«725 oder schüttelt sich die Erde »vor dem, was sich ihr in die Brust drängt« : »… soviele Menschen, daß es geradezu das Gestein wegsprengt. Ja. Es wird ihr eng um die Brust. Wir haben ihr die Luft abgeschnürt, obwohl wir ihr soviele Menschen ent- nommen haben. Sie wurde uns nicht leichter dadurch.«726 An anderer Stelle wirkt die Natur weniger menschlich als vielmehr wie ein Tier. Ist etwa der Regenschleier bei Lebert ein »blaugraue[s] Einhorn«, das mit »un- beschlagenen Nebelhufen«727 durch breite Pfützen trottet, so tritt die Natur bei Jelinek mitunter als hund- oder wolfsähnliches Tier in Erscheinung : »Da kommt ein Wesen gekrochen, der Wald atmet plötzlich laut, er hechelt, als wäre er zum Waldi geworden, woher nimmt er noch die Kraft dazu ? Man kann ja schon durch sein Laub hindurchsehen !«728 »… launisch legt die Natur auf dies und jenes ihre Pranken, läßt wieder los, ohne zu be- achten, daß der Spielkamerad von ihr vollkommen zerquetscht, zerfetzt worden ist. Sie schnüffelt an den Stücken, heult ihr Lied ins Helle hinein, bis die Nacht kommt, und dann heult sie ein anderes Lied, tief aus der Kehle heraus.«729 »… Moment, war da nicht ein Donnern ? Ja, da hat ihm einer glatt das Fell des zahmen Waldes, der plötzlich zu einem wilden Untier geworden ist, über Nacken und Schultern geworfen…«730 In »Die Kinder der Toten« entpuppt sich Österreichs Natur als etwas Unheim- liches, denn der Mensch hat ihr längst seinen morbiden Stempel aufgedrückt, zum einen durch die wirtschaftsorientierte Vergewaltigung ihrer Ressourcen, zum anderen aber durch den »freigiebigen Umgang«731 dieses Landes mit seinen Menschen : die willkürliche Ermordung tausender Menschen im Rahmen des 723 KDT, S.  130. 724 KDT, S.  126. 725 KDT, S.  443. 726 KDT, S.  126. 727 Lebert, Wolfshaut, S.  126  f. 728 KDT, S.  265. 729 KDT, S.  12. 730 KDT, S.  577. 731 KDT, S.  7. 229 »Die Kinder der Toten«  |
back to the  book Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung"
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek