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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Die Medien waren fĂŒr Haider immer ein wichtiges Instrument zur Inszenie- rung seiner Person und zur Vorantreibung seiner politischen Ziele gewesen. In zahlreichen Interviews und Reportagen wurde ihm auch stets viel Raum gege- ben, um sich medial darstellen zu können  – vermutlich, weil Haider immer fĂŒr einen Aufreger gut war und die Einschalt- bzw. Leserquoten dementsprechend hoch waren. Auf der anderen Seite verstand es Haider jedoch geschickt, angebli- che Medienhetzen gegen ihn fĂŒr zwischenzeitliche RĂŒckschlĂ€ge verantwortlich zu machen. So meldete etwa die »Neue Freie Zeitung« im Januar 1993, dass Haider eine neue Variante fĂŒr die AbkĂŒrzung »ORF« erfunden habe : »Öster- reichs rĂŒcksichtslosester Falschmelder«967. Der Staatsrundfunk, so Haider, sei ein Instrument der Altparteien (gemeint sind die Parteien der damals regie- renden Großen Koalition, SPÖ und ÖVP), das »Angst, Verunsicherungs- und Verleumdungspropaganda« verbreite, um ihm und seiner Partei zu schaden und LoyalitĂ€tsverluste unter den eigenen AnhĂ€ngern zu begrenzen.968 Jelineks Haider-Figur bringt eine weitere Opfer-TĂ€ter-Inversion ins Spiel, die vor allem in Hinblick auf das paradoxe österreichische GedĂ€chtnis bemer- kenswert ist und in deren Perfektionierung sich der Original-Haider jahrzehn- telang ĂŒbte : TĂ€ter und MitlĂ€ufer des Nationalsozialismus als Angeklagte und Verfolgte darzustellen, da ihre Schuld Jahrzehnte nach der Tat doch »endlich einmal« verjĂ€hrt und vergeben und vergessen sein mĂŒsste. Unter Haiders Schutzherrschaft habe das kollektive schlechte Gewissen zu den Akten gelegt werden dĂŒrfen, befindet Haider-Biografin Zöchling und er- klĂ€rt damit den großen Zuspruch, den Haider in den Jahren nach der Wald- heim-AffĂ€re (möglicherweise eine Inspiration fĂŒr ihn) von Seiten der österrei- chischen WĂ€hlerschaft erfahren durfte.969 In Jelineks Theatermonolog fordert die Hauptfigur jene »Befreiung« ein, die Haider seit den spĂ€ten 1980er Jahren versprochen hatte : »Tod will Tod. Alter Mord. Neuer Mord. Gar kein Mord. Egal. Das Schandrecht des Mörders jetzt Ehre !«970 »Am liebsten wĂŒrden wirs fortjagen, das ganze Land, wo immer nur Angeklagte wir sein werden, vor welchem Gericht ?, doch wo herrschten wir dann, und wo wĂ€ren die Schaulustigen, die uns bewundern ?«971 967 Haider, zitiert nach : Czernin, Westentaschen-Haider, S.  163. 968 Ders., zitiert nach : Ebd., S.  169. 969 Vgl. Zöchling, Haider, S.  16. 970 LW, S.  11. 971 LW, S.  13. 267 »Das Lebewohl«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : AnnĂ€herung an eine »synthetische KĂŒnstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂŒhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks Àsthetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur IntertextualitÀt 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂŒmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 InterdisziplinÀre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 PrimÀrliteratur 300
      2. 6.1.2 SekundÀr- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-BeitrÀge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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