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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Dazu gehört in erster Linie der sensible Faschismusbegriff, der anhand der wichtigsten Definitionen und Theorien der letzten Dekaden erlĂ€utert wurde, wobei die grundsĂ€tzliche Feststellung getroffen wurde, dass Ă€ltere Theorien vor allem monokausal orientiert waren bzw. einen Merkmalskatalog zu entwickeln versuchten, welcher der Dynamik der realhistorischen Faschismen nicht gerecht werden konnte. Definitionen der letzten beiden Dekaden versuchen, die ver- schiedenen, zum Teil ambivalenten Wege des Faschismus zu vergleichen und lenken dabei den Blick verstĂ€rkt auf dessen soziale und kulturelle Praktiken. TatsĂ€chlich ist der Faschismusbegriff damit (vor allem dank der regen angloa- merikanischen Forschung) ein ganzes StĂŒck flexibler geworden  – er ist prozes- sual ausgerichtet und will das Entwicklungspotential und die Wandelbarkeit des faschistischen PhĂ€nomens erfassen. In Übereinstimmung mit dem Gros der herangezogenen Autoren wurde der Nationalsozialismus als spezifische Form (als »nationale Variante«) des Faschismus bezeichnet und ein kurzer Exkurs in die aktuelle Nationalsozialismusforschung unternommen, die sich vor allem durch einen grundlegenden Perspektivenwechsel auszeichnet : Demnach gelten heute nicht mehr der Eroberungskrieg oder die Zerschlagung von Demokratie und Sozialismus als Hauptmerkmale des NS-Regimes, sondern der »Zivilisa- tionsbruch Auschwitz«4, dem im gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurs seit den 1980er Jahren wachsende Beachtung geschenkt wird. Heute gilt der Holocaust, der Genozid an den europĂ€ischen Juden, als prĂ€zedenzloses und zentrales Kernereignis des Nationalsozialismus. Die Frage nach den Ur- sachen dieser großen menschlichen Katastrophe befördert auch das zeithisto- rische Interesse fĂŒr die »Einzelnen« und ihre Erfahrungen, Handlungen und HandlungsspielrĂ€ume.5 Hatten frĂŒhere Modelle das NS-Regime vor allem als »Mobilisierungs- und Manipulationsprojekt«6 der politischen Eliten zu beschreiben versucht, fokussieren neuere AnsĂ€tze verstĂ€rkt auf anthropologi- sche Themen und versuchen (etwa anhand mikro- oder alltagsgeschichtlicher Studien) konkrete »Lebenswelten«7 zu rekonstruieren, was die Wandelbarkeit und Dynamik des deutsch-österreichischen Faschismus nachvollziehbar macht und damit zur Differenzierung und Weiterentwicklung frĂŒherer Modelle bei- trĂ€gt. In einem weiteren Schritt wurde der fĂŒr Jelineks poetisches Verfahren in seiner Bedeutung kaum zu ĂŒberschĂ€tzende »Mythos«-Begriff erlĂ€utert : Nach Roland Barthes ist der Mythos eine Aussage, die unbewusste, kollektive Bedeu- 4 Diner, Zivilisationsbruch. Vgl. auch : Ders., Den Zivilisationsbruch erinnern. 5 Vgl. Burghartz, Historische Anthropologie, S.  206. 6 Kritisch dazu Bauer, Mobilisierung, S.  288. 7 Zu dem historischen Begriff der »Lebenswelt(en)« vgl. Kapitel  1.4.2 dieser Studie. 281 Zusammenfassung der Ergebnisse  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : AnnĂ€herung an eine »synthetische KĂŒnstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂŒhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks Àsthetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur IntertextualitÀt 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂŒmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 InterdisziplinÀre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 PrimÀrliteratur 300
      2. 6.1.2 SekundÀr- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-BeitrÀge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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